Die SQ3R Methode stellt eine bewährte Lesestrategie für besseres Textverstehen dar. Wer sich immer wieder durch Sach- und Lehrbücher kämpfen muss, kann mit dieser Methode deutlich mehr aus dem Lesestoff herausholen. Zudem wirkt sich die SQ3R Methode positiv auf die Merkfähigkeit aus. Der Beitrag erklärt die einzelnen Schritte der Technik und gibt weitere Praxistipps.
Inhalt
Einleitung:
Besser lesen mit der SQ3R Methode
In meinem letzten Beitrag ging es um Speedreading. Der Gedanke dahinter war, die Flut täglich anfallender Texte und Literatur durch schnelleres Lesen in den Griff zu bekommen. Der folgende Artikel verfolgt eine andere Strategie, die auf umfassendes Verstehen und langfristiges Erinnern abzielt.
Die SQ3R Methode ist deutlich zeitaufwendiger und fordert den Leser zu fünf unterschiedlichen Lesephasen auf. Als Bonus verspricht sie besseres Textverständnis und Erinnern – somit ideal für Prüfungsvorbereitungen und berufliche Weiterqualifizierungen.
Letztendlich erwartet man von diesem zeitintensiven Vorgehen langfristigen Nutzen. Die gelesenen Texte sollen umfassend den Weg ins Langzeitgedächtnis finden und somit für Jahre oder sogar das ganze Leben verfügbar sein.
Sollte man Fachbücher und wissenschaftliche Texte „anders“ lesen?
Konkret geht es darum, wie man wissenschaftliche Texte und Fachbücher am besten liest. Bei diesen Textformen steht eine klare Zielsetzung im Raum, da es immer darum geht, zweckgebundenes Wissen zur Kenntnis zu nehmen.
Anders formuliert: Wenn ich mich dazu entscheide, Zeit und Energie für das Lesen eines Fachbuches oder eines wissenschaftlichen Beitrags zu investieren, möchte ich Nutzen aus dieser Handlung ziehen.
Eine berufliche Weiterbildung wäre etwa so ein Fall. Oder man bereitet sich auf eine Prüfung vor, für die man eine mehr oder weniger genaue Vorstellung von den prüfungsrelevanten Anforderungen hat.
Lernen für die Praxis
Im Fokus dieser Anstrengungen steht ganz klar das Ziel, die relevanten Inhalte zu verinnerlichen, diese zu verstehen und vor allem auch sich langfristig an diese erinnern zu können.
Was aber vielleicht das Wichtigste von allem ist: Letztendlich will man das erworbene Wissen auch anwenden und kommunizieren können.
Es wäre traurig, wenn die ganze geistige Arbeit nur Selbstzweck wäre! Erst im praktischen Einsatz und der Kommunikation mit anderen Menschen entfaltet sie ihren tatsächlichen Wert.
In der Praxis sieht es leider oft so aus, dass die Lesearbeit eher widerwillig aufgenommen wird. Man arbeitet sich durch den Text und am Ende fragt man sich, was man eigentlich die letzten Stunden gemacht bzw. gelernt oder verstanden hat.
Für jeden, der schon einmal eine der folgenden Erfahrungen gemacht hat, ist die SQ3R Methode auf jeden Fall einen Versuch wert:
- Während des Lesens kommt immer wieder die Frage auf: Ist dieser Text für meinen Zweck überhaupt der Richtige?
- Nach dem Lesen hat man das Gefühl, nur wenig verstanden zu haben.
- In der Praxis (der Prüfung) fällt es schwer, das neu erworbene Wissen anzuwenden.
- Nach wenigen Tagen (Wochen) kann man sich kaum noch an das Gelesene erinnern.
Na, wer hat sich hier wiedererkannt? Die SQ3R Methode ist ein wirksames Mittel gegen diese unschönen und vor allem ineffektiven Nebeneffekte oberflächlichen Lesens. Im Folgenden erläutere ich die fünf Schritte der Methode. Im Anschluss folgen dann noch einige Praxistipps.
Schritt für Schritt erklärt:
Die SQ3R Methode
Für die folgenden fünf Schritte ist entscheidend, dass sie auch wirklich alle vollständig und in der angegebenen Reihenfolge ausgeführt werden. Nachlässigkeiten oder Auslassungen sabotieren mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den Erfolg der Methode.
SQ3R Methode Schritt 1: Survey (Überblick)
Im ersten Schritt gilt es, sich einen Überblick zu verschaffen. Die Frage lautet: Um was geht es hier? Wie hat der Autor das Thema aufbereitet? Welche Schwerpunkte wurden gesetzt? Bei Büchern liefern Titel, Klappentext und Inhaltsverzeichnis einen ersten Überblick. Wenn nicht schon vorab klar ist, dass man das ganze Buch durcharbeiten will, bzw. muss, erhält man so eine erste Auswahl relevanter Kapitel und Abschnitte.
Bei wissenschaftlichen Artikeln oder sonstigen überschaubaren Texten kann man sich auf die Zusammenfassung (Abstract) bzw. die Einleitung beschränken. Zudem sollte man den kompletten Text überfliegen und einen etwas genaueren Blick auf Überschriften und andere strukturierende Textbestandteile wie Bilder, Grafiken oder Tabellen werfen. Auch durch Fettdruck hervorgehobene Begriffe und Abschnitte sind einen etwas längeren Blick wert.
In dieser ersten Phase der SQ3R Methode geht es nicht darum, bereits möglichst viel von dem Text zu verinnerlichen oder gar langfristig ins Gedächtnis zu pauken. Es ist vielmehr ein locker-unverkrampftes Kennenlernen. Hat man in Grundzügen erkannt, um was es geht, ist der erste von den fünf Schritten bereits getan.
SQ3R Methode Schritt 2: Question (Fragen)
Dass man sich den Text überhaupt vorgenommen hat, kommt nicht von ungefähr. Man verfolgt damit schließlich ein Ziel. Egal, ob es um die berufliche Karriere oder eine wie auch immer geartete Prüfung geht: Letztendlich geht es um den Erwerb von Wissen zu einem bestimmten praktischen Zweck.
Aus diesem Zweck lassen sich Fragen ableiten: Was will ich genau wissen? Warum ist dieses Wissen für mich wertvoll und wie kann ich es praktisch für meine Zwecke einsetzen? Es lohnt sich, einige Minuten in die Formulierung dieser Fragen zu investieren!
Nur wenn mir klar ist, aus welchen Gründen und zu welchem (genauen) Zweck ich den Text lese, kann ich mich aktiv und zielgerichtet mit diesem auseinandersetzen.
Wichtig ist, die Fragen schriftlich auf einem Blatt Papier zu notieren. Während des Lesens im nächsten Schritt kann man sie sich so immer wieder bewusst vor Augen führen. Die Frage: „Warum lese ich diesen Kram gleich noch mal?!“ sollte niemals aufkommen.
Diese Fragen bilden praktisch meinen inneren Kompass, der mir dabei hilft, selektiv zu lesen. Was ist für mein Leseziel wirklich wichtig? Wo muss ich genauer hinschauen, was kann ich lediglich überfliegen?
Wer sich bereits vorab klarmacht, wohin die Reise gehen soll, kann die gesamte Lesearbeit straffen und deutlich effizienter und effektiver machen. Zudem wird so Motivation und Interesse erzeugt; schließlich will man auch Antworten auf die zuvor gestellten Fragen finden.
SQ3R Methode Schritt 3: Read (Lesen)
Schritt Nummer drei ist der mit Abstand zeitaufwendigste Teil der SQ3R Methode. Der Text wird nun in Abschnitten gelesen. Wie auch beim Schnell-Lesen ist hier entscheidend, dass die Inhalte auch wirklich verstanden werden. Nur so kann eine erfolgreiche Speicherung im Langzeitgedächtnis erfolgen.
Relevante Textstellen sollten farbig hervorgehoben werden; ist dies nicht möglich, notiert man sich entsprechende Stellen in Stichworten mit der zugehörigen Seitenzahl auf einem Blatt Papier. Die im vorangegangen Schritt formulierten Fragen helfen nun dabei, die relevanten Textstellen schnell zu finden.
Das Lesen in Abschnitten ist sehr wichtig. Generell ist die Konzentrationsfähigkeit aller Menschen begrenzt. Aus meiner Erfahrung heraus ist es sinnvoll, alle 30 bis 45 Minuten eine kurze Pause von etwa fünf Minuten einzustreuen. Die Lesephasen der SQ3R Methode sollten sogar auf 15 bis 20 Minuten begrenzt werden.
Dafür gibt es gute Gründe. Nach dem Drei-Speicher-Modell des Gedächtnisses befinden wir uns beim Lesen vor allem im Bereich des Kurzzeitspeichers. Diese Erinnerungen werden im Bereich von Minuten „konserviert“. Gelingt es uns nicht, möglichst viele dieser Inhalte ins Langzeitgedächtnis zu transportieren, gehen sie zum größten Teil wieder verloren.
Man bezeichnet diesen Vorgang als „Gedächtniszerfall“ im Kurzzeitgedächtnis. Ein Phänomen, das man als Interferenz bezeichnet, ist dafür in erster Linie verantwortlich. Interferenz bedeutet nichts anderes, als das unser Kurzzeitspeicher so weit gefüllt ist, dass er überläuft.
Entweder werden neue Informationen dann nicht mehr aufgenommen oder eben alte Infos gelöscht und mit neuem Input überschrieben. Neben der Ähnlichkeit von Informationen und Multitasking sorgen auch große Mengen an Informationen für Interferenz. Weniger kann deshalb gerade beim Lesen oft mehr sein.
Der Kopf füllt sich dann an, als ob er gleich platzen wollte. Dummerweise klappt es immer schlechter, sich an den gelesenen Text erinnern zu können. Deshalb lautet die Empfehlung: 15 Minuten lesen und dann erst einmal mit den Schritten vier und fünf weitermachen.
SQ3R Methode Schritt 4: Recite (Wiedergeben)
Ist ein Abschnitt gelesen, sollte dieser noch mal im Geist durchgegangen werden. Worum ging es? Welche Aspekte wurden behandelt? Welche Fragen gestellt bzw. beantwortet? Was waren die Schlüsselwörter? Man sollte jetzt auch prüfen, ob bereits Antworten auf die in Schritt zwei gestellten Fragen gefunden wurden.
Schritt vier verlangt somit Rekapitulation und Nachdenken. Die Ergebnisse dieser Denkarbeit werden schriftlich erfasst. Kurze Zusammenfassungen und Mindmaps sind dafür gut geeignet.
Vorsicht bei wörtlichen Übernahmen! Diese sollten wirklich nur dann notiert werden, wenn man sie genau in der originalen Form als Zitat nochmals verwenden will (z. B. für den eigenen wissenschaftlichen Text oder um in einer Prüfung ganz besonders viel Eindruck zu schinden). Deshalb unbedingt schon in den Notizen solche Textstellen als Zitat kenntlich machen und die Seitenzahl notieren!
SQ3R Methode Schritt 5: Review (Rückblick)
Im letzten Schritt wird ein zusammenfassender Rückblick vorgenommen. Man sollte den gesamten Text(abschnitt) nochmals im Geist zusammenfassen und auf den Punkt bringen. Es wird hier erneut auf die Fragen aus Schritt zwei Bezug genommen.
Sind die Zusammenhänge klarer geworden? Lassen sich die gestellten Fragen angemessen beantworten? Wie fügt sich das Gelesene in die eigene Meinung bzw. eigenen Vorkenntnisse ein? Welche praktischen Anwendungen wären denkbar?
Bei kurzen Texten wie z. B. Fach- oder Zeitungsartikel kann der Text nun als abgeschlossen gelten. Handelt es sich dagegen um ein komplettes Buch, sollte man versuchen, das Gelesene mit dem großen Ganzen – d. h. den anderen Kapiteln – in Verbindung zu setzen.
Stärken der SQ3R Methode
Die vorgestellte Technik verspricht besseres Verstehen und Erinnern von Textinhalten. Aus meiner Sicht liegen die Stärken der Technik in einer Reihe von Punkten. An erster Stelle ist sicher die Tatsache, dass die selbstformulierten Fragen ein zielgerechtes Lesen (was will ich wissen?) unterstützen und zudem Interesse erzeugen.
Es liegt auf der Hand, dass man eine gestellte Frage auch gerne beantwortet sehen möchte. In gewisser Weise „zwingt“ man sich zu einem Mindestmaß an Interesse. Und Interesse ist mit das wirkungsvollste Mittel, um Informationen vom Kurzzeit- in das Langzeitgedächtnis zu transportieren!
Da die Methode den Lernstoff in überschaubare Portionen zerlegt, ist die Gefahr von Interferenz-Effekten geringer, d. h. man überlastet sein Gedächtnis nicht so leicht.
Zusätzlich sorgen die fünf Schritte für unterschiedlich intensive Wiederholung des Materials, Abwechselung und aktive Auseinandersetzung mit den Inhalten.
Besonders in Kombination mit Mind Mapping zahlt sich die, auf den ersten Blick sehr zeitaufwendige Methode, letztendlich aus.
Weiterführende Links
Kompakte Übersicht der einzelnen Schritte als PDF von der Uni Frankfurt:
https://www.starkerstart.uni-frankfurt.de/59989387/A07_SQ3R_Lesetechnik.pdf
Anleitung zur Methode der Uni Zürich. Interessant hier die detaillierte, sich auf mehrere Tage erstreckende Wiederholungsphase:
https://www.suz.uzh.ch/dam/jcr:00000000-3897-a8c6-ffff-ffff93094cad/SQ3R-Lesemethode.pdf
Den Originaltext (Robinson 1970) zur Methode habe ich auf www.studium.lerntipp.at entdeckt:
https://studium.lerntipp.at/5schritte/Original.shtml