Angeblich wurde die Sommerzeit 1980 vor allem wegen der Hoffnung auf Energieeinsparungen im Gefolge der Ölpreiskrise von 1973/74 eingeführt. Diese Behauptung ist weit verbreitet und wird – offensichtlich ungeprüft – auch von Qualitätsmedien gerne und häufig ins Feld geführt. Der Blick auf eine denkwürdige Bundestagssitzung des Jahres 1977 zeichnet dagegen ein gänzlich anderes Bild der Ereignisse.
Inhalt
Sommerzeit war Krisenzeit
Die ungeliebte Sommerzeit und wie es mit ihr weitergehen soll, ist momentan in aller Munde. Auf die Frage, wie es überhaupt zu der staatlich verordneten Zeitmanipulation gekommen sei, wird meist auf die erhofften Energieeinsparungen im Kontext der Ölpreiskrise der 1970er Jahre hingewiesen.
Nicht selten wird die Aussage bereits im nächsten Satz wieder relativiert. Die Spareffekte seien verschwindend gering bzw. gar nicht vorhanden gewesen. Bemerkenswert in Anbetracht der Tatsache, dass es bereits einschlägige Erfahrungen mit dem Format gab, die offensichtlich keinen Einfluss auf die Entscheidung hatten.
Energiesparen in Krieg und Krisen
Bereits während der beiden Weltkriege war wegen des erhofften Sparpotenzials mit der Sommerzeit experimentiert worden. Auch kam die Methode im zerstörten Nachkriegsdeutschland zum Einsatz.
Alle drei Zeitabschnitte zeichneten sich durch massive Belastungen von (Kriegs-)Wirtschaft und Infrastruktur aus. Allerdings zeigten schon die damals gemachten Erfahrungen, dass von der Maßnahme keine Wunder zu erwarten waren. In einem industrialisierten Land wird nur ein geringer Teil der Energie für Beleuchtung verwendet. Zudem greift die Maßnahme nur in den Sommermonaten, in denen von Natur aus am wenigsten Strom für Beleuchtung benötigt wird.
Natürlich sind gewisse Parallelen zu den 70ern trotzdem nicht zu leugnen: Der Ölpreisschock 1973/74 stellte ohne Zweifel eine ernsthafte Krise für die vom Öl abhängigen Industrienationen dar. Allein 1974 musste die Bundesrepublik etwa 17 Milliarden DM mehr als im Vorjahr für ihre Ölimporte zahlen. Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit nahmen zu, was wiederum die Kosten für Sozialausgaben in die Höhe trieb.
Sommerzeit 1980:
Prinzip Hoffnung nach dem Ölpreisschock?
Aber sorgte dieses Krise tatsächlich für die Einführung der Sommerzeit? Waren die bundesdeutschen Politiker so verzweifelt, dass sie auf das Prinzip Hoffnung setzen mussten? Eigentlich sollte man meinen, dass ihnen die begrenzte Wirksamkeit dieser Maßnahme hätte klar sein müssen.
Alle diese Fragen lassen sich mit einem Rückblick auf den 5. Mai 1977 beantworten. Genau an diesem Tag fand eine denkwürdige Bundestagssitzung statt, die jede Menge unterhaltsame Details zu bieten hatte. Witze über Wissenschaftler und Atomsekunden; über faule Schüler und Hitzefrei. Das Ganze garniert mit viel Heiterkeit, Klatschen und sogar einem Wilhelm Busch-Zitat. Was will man mehr?
Der Bundestag und das Zeitgesetz
Um eines vorwegzunehmen: In der 25. Sitzung des Deutschen Bundestages wurde keine Entscheidung darüber getroffen, ob die Sommerzeit tatsächlich eingeführt wird. Vielmehr ging es in Form des sogenannten Zeitgesetzes darum, die rechtliche Basis für solch einen gravierenden Eingriff zu schaffen.
Da in der jüngeren Vergangenheit eine Reihe westeuropäischer Nachbarn – und schließlich auch Frankreich 1976 – die Sommerzeit ohne nennenswerte Abstimmung mit dem Rest der Europäischen Gemeinschaft (EG) eingeführt hatten, bestand nun auch für die Bundesrepublik massiver Entscheidungsdruck in dieser Frage.
Bis zum französischen Alleingang irrlichterte das Thema Sommerzeit zwar auch durch die Bonner Republik; allerdings ohne als ernsthafte Option im Kontext des Ölpreisschocks wahrgenommen zu werden. Offiziell ging die Bundesregierung von 13.000 Tonnen Heizöl aus, die man einsparen könnte.
Bei einem Gesamtverbrauch von sechseinhalb Millionen Tonnen wären das Einsparungen von ein bis zwei Promille. In dieser Einschätzung herrschte bei Energieexperten Konsens. Und in Anbetracht des enormen verwaltungstechnischen Aufwands hatte kein deutscher Politiker die Sommerzeit ernsthaft auf seiner Agenda. Doch nun war alles anders.
Das Zeitgesetz
Um die Sommerzeit überhaupt einführen zu können, bedurfte es einer Gesetzesänderung. Das bereits seit 1893 bestehende Zeitgesetz basierte auf einem astronomischen Zeitbegriff, nämlich der mittleren Sonnenzeit des 15. Längengrades östlich von Greenwich. Es sorgte faktisch dafür, dass im ganzen Deutschen Reich eine einheitliche Zeit gültig war.
Von jahreszeitbedingten Anpassungen um das Sonnenlicht besser nutzen zu können, war allerdings keine Rede in dem sehr überschaubaren Gesetzestext. Und genau hier liegt der zentrale Punkt beim „Gesetz über die Zeitbestimmung“ der Einfachheit halber meist nur „Zeitgesetz“ genannt. Paragraf 3 erläutert die Rahmenbedingungen einer „Ermächtigung zur Einführung der mitteleuropäischen Sommerzeit“.
Punkt vier der Tagesordnung an jenem 5. Mai 1977 war die erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Zeitgesetzes. Was dann folgte, war vielleicht nicht unbedingt eine Sternstunde des deutschen Parlamentarismus. Immerhin kann man es durchaus als Lehrstück über das Spannungsverhältnis zwischen Expertenwissen und politischen Entscheidungen werten. Denn die Entscheidung zur Sommerzeit war – obwohl erst 1980 praktisch umgesetzt – bereits an diesem Tag längst gefallen.
Argumente der Redner
Und so ergab sich eine durchaus kurios anmutende Situation. In Anbetracht des Ost-West-Konflikts, der Teilung Deutschlands in zwei Staaten und der speziellen Situation Berlins galt es, Geschlossenheit zu demonstrieren.
Natürlich waren die Wirtschaftsbeziehungen mit den westlichen Nachbarn um ein Vielfaches bedeutender als der Handel mit dem Osten. Auch das war ein starkes Argument für eine vereinheitlichte Zeit in der EG. Was noch vor zwei Jahren jeder Experte und sogar nahezu jeder Politiker für eine Schnapsidee gehalten hatte, war nun plötzlich „alternativlos“ geworden.
Immerhin: Die Demonstration des deutschen Willens zur europäischen Integration blieb nicht gänzlich frei von einigen kleinen aber feinen Seitenhieben und sogar Kritik an der Sommerzeit. Schauen wir uns einige Auszüge aus den Redebeiträgen genauer an.
Europäische Integration oder Energieaspekte?
Der parlamentarische Staatssekretär von Schoeler (FDP) bringt das wichtigste Argument der Bundesregierung folgendermaßen auf den Punkt:
„Der gegenwärtige Überlegungsstand der Bundesrepublik geht dahin, daß bei Abwägung aller für und gegen die Einführung der Sommerzeit sprechenden Gesichtspunkte der Einführung vor allem aus europapolitischen Gründen der Vorzug zu geben ist.“
Der im Anschluss sprechende Abgeordnete Broll (CDU) stellt – nachdem er in bester (und amüsanter) Manier eines ehemaligen Oberstudienrats die Bedeutung wissenschaftlicher Zeitmessung für Politik und Gesetze dargestellt hatte – folgendes fest:
„In § 3 (des Zeitgesetzes, Anmerk. d. Verf.) folgen wir (…) den Fakten, die unsere europäischen Nachbarn bereits geschaffen haben. Diese Fakten sind in der Tat nicht sehr erfreulich.“
Broll bezieht sich hier darauf, dass insgesamt sechs westeuropäische Nachbarn ohne gegenseitige Abstimmung die Sommerzeit eingeführt haben. Was in Anbetracht der Wirtschaftsströme zwischen diesen Ländern für Chaos sorgte.
Der Abgeordnete Wolfgramm (FDP) legt den Fokus ebenfalls auf die europäische Perspektive. Nachdem er einen eleganten Bogen von den alten Ägyptern über die Maya-Kultur bis hin zur Caesiumatom-Eigenschwingung geschlagen hatte (Zitat: „Die FDP jedenfalls wird der Verankerung der Caesiumatom-Eigenschwingung kein anderes Maß in den Weg stellen wollen.“) äußerte er:
„Die zweite Zielsetzung ist sehr viel politischer. Es ist die Frage der Einführung der Sommerzeit. Wir haben hier sozusagen ein Ermächtigungsgesetz, das uns auf den Pfad der europäischen Integration führen soll. Wir meinen, das ist der richtige Pfad. Die FDP hat sich schon immer für die europäische Integration ausgesprochen. Wir werden den Weg zu Europa nur mit gleicher Zeit erreichen (…).“
Energiesparen mit Sommerzeit?
Fehlanzeige!
Allerdings muss auch Wolfgramm wie zuvor auch schon Broll zugeben, dass das Potenzial zum Energiesparen „von der Regierung gering eingeschätzt“ wird. Und dann fabuliert sich Wolfgramm ins Reich des Hörensagens und gewagter psychologischer Spekulationen:
„Die französische Regierung hat gesagt, in einem Jahr werden immerhin 300.000 t Rohöl eingespart. Das ist doch eine sehr erfreuliche Menge. Diese Zahl ist immerhin in einer französischen Kabinettssitzung erwähnt (sic!) worden. Auch der psychologische Effekt der Umstellung auf die Sommerzeit wird nach unserer Meinung im Hinblick auf die Energieeinsparung ein deutlich fassbares Moment darstellen.“
Ich denke, das letzte Zitat verdeutlicht, dass die ursprüngliche Problematik (teures Öl belastet die Wirtschaft) zugunsten politischer Sachzwänge an den Rand gedrängt wurde. Wenn die Gutachten der eigenen Experten durch solche Äußerungen relativiert werden, lässt das tief blicken.
Auch warum die Sommerzeit einen „psychologischen Effekt“ und daraus resultierend „ein deutlich fassbares Moment“ der Energieeinsparung bringen soll bleibt nebulös. Aber was soll man auch machen, wenn bessere Argumente fehlen? Vermutlich hätten einige zusätzliche autofreie Sonntage intensivere psychologische Effekte bei den Deutschen bewirkt.
Wirtschaftsbeziehungen
Bis zu diesem Punkt sind zwei Tatsachen eindeutig zu erkennen. Zum einen herrschte Konsens darüber, dass die Sommerzeit bestenfalls der besagte Tropfen auf dem rotglühend heißen Stein der Ölpreiskrise ist und eigentlich getrost vergessen werden kann.
Zum anderen wurde man allerdings durch die überraschende Einführung der Sommerzeit in Frankreich kalt erwischt. Das Motto lautet ab hier: Gute Miene zum überflüssigen Spiel machen und den Gesichtsverlust minimieren.
Abgesehen von dem klaren Bekenntnis zur EG standen jetzt ganz pragmatische Überlegungen auf dem Programm. Was ist mit den Zugfahr- und Flugplänen? Zwei verschiedene Zeiten innerhalb eines eng verflochtenen Wirtschaftsraums sind wenig förderlich.
Plötzlich war klar: Die Einführung würde keine Einsparungen bringen; die Nichteinführung dagegen könnte richtig teuer werden.
Der Abgeordnete Broll weist folgerichtig auf die Bedeutung der Verkehrsströme zwischen Deutschland und seinen westlichen Nachbarn:
„Er ist (der Verkehr, Anmerk. d. Verf.), insgesamt gesehen, dreißigmal so groß wie unsere Verkehrsbeziehungen zum gesamten Ostblock. Da kommen Züge, die bei uns zu vernünftiger Zeit abfahren, mit Geschäftsleuten besetzt, in Paris zu einer Zeit an, zu der die besten Gelegenheiten, geschäftliche Besprechungen zu führen, bereits vorbei sind. (Heiterkeit bei der CDU/CSU)“
Kritische Aspekte
Die kritischen Perspektiven zum Thema Sommerzeit wirken in Anbetracht der Tatsache, dass man keine Wahlmöglichkeit mehr sah, wie Makulatur. Trotzdem lohnt es sich auch 41 Jahre später, die Argumente zur Kenntnis zu nehmen. Das dominierende Gegenargument bezieht sich auf die deutsche Teilung im Allgemeinen und die geteilte Stadt Berlin im Speziellen.
Deutsche Teilung und Sonderfall Berlin
Auch wenn es nicht danach aussah, dass sich an der Situation in absehbarer Zeit etwas ändern sollte: die deutsche Teilung sollte nicht auch noch in unterschiedlichen Uhrzeiten Ausdruck finden. Abgesehen von einer eher symbolischen Perspektive gab es natürlich auch ganz handfeste Probleme wenn zeitgleich ungleiche Zeiten herrschen. Besonders am Beispiel Berlins waren diese Probleme überdeutlich zu erkennen. Zu diesem Punkt merkt Broll an:
„Berlin wird dann die einzige Stadt in der Welt sein, die eine Zeitzweiteilung zu allen anderen Teilungen, die vorhanden sind, erleidet. Wenn Sie nun bedenken, daß die S-Bahn in der Regie der DDR geführt wird und daß es die Reichsbahn ist, die den Zugverkehr von unserer Ostgrenze bis hin nach Berlin führt, d. h., daß die Fahrpläne von ihr erstellt und ausgehängt werden, so können Sie sich die Verwechselungen, die Schwierigkeiten ausmahlen, die entstehen, wenn ein Westberliner in seinem Bahnhof auf den Fahrplan sieht und dort möglicherweise eine andere Zeit als unsere Sommerzeit steht. „
„(Stücklen [CDU/CSU]: Sie unterschätzen die klugen Köpfe in Berlin!)“
Kreativ-überhebliches Relativieren von Bedenken
Wie man sieht: die Stimmung war prächtig! Hinsichtlich gesundheitlicher bzw. gesellschaftlicher Nachteile lassen sich zwei Argumentationsstrategien unterscheiden. Am häufigsten findet sich die Methode, einen Kritikpunkt aufzugreifen, um ihn dann im nächsten Schritt zu relativieren.
Das Fazit lautete dann: Sommerzeit – ist doch gar nicht so schlimm und auch viel Schönes bei! Am CDU-Mann Broll ist diese Strategie idealtypisch festzumachen. Nachdem er Anteil am Schicksal leistungsschwacher Schüler genommen hatte, die in Zukunft dem Druck deutlich seltener mittels Hitzefrei entkommen würden, schaltete er routiniert in den Ernsthaftmodus um:
„Es gibt ernsthafte Bedenken gegen die Sommerzeit. (…) Ob der biologische Rhythmus ohne weiteres bei allen ohne Schaden schnell umgestellt werden kann, ist die große Frage. Andererseits sollte man dieses Argument, das manchmal auftaucht, bestimmt nicht überschätzen. Wir müssen uns klarmachen, daß jährlich mehrere Millionen Familien mit kleinen Kindern Reisen in weit entfernte Länder (…) unternehmen und dort Zeitdifferenzen in Kauf nehmen (…).“
Ist es nicht interessant, wie schnell aus einer „großen Frage“ ein „manchmal auftauchendes Argument“ werden kann, das die Bürger (Familien mit kleinen Kindern!) schlussendlich selbst ad absurdum führen? Chapeau für so viel rhetorische Finesse oder – je nach Lesart – Unverfrorenheit. Broll erkennt, dass es mit Sommerzeit evtl. problematischer wird, die Kinder abends gut ins Bett zu bekommen. Für diesen Fall findet er, zutiefst emphatisch, tröstende Worte:
„(…) so kann man sich vielleicht mit dem Gedanken trösten, daß sie morgens ungestörter durch Vogelgezwitscher (sic!) und zu frühe Helligkeit bis zum Beginn der Schulzeit schlafen werden.“
Kritische Töne von Liesel Hartenstein
Die kritischsten Töne zu den konkreten Auswirkungen auf die Bürger stimmte Liesel Hartenstein von der SPD an. Immerhin hatte sie die Sommerzeit bereits unter den Nazis erlebt. Sie betont direkt zum Einstieg die Tragweite des Themas:
„Das ist eine Sache (die Sommerzeit, Anmerk. d. Verf.), über die zu reden sich lohnt; denn sie hat eine erhebliche politische Dimension und greift auch tief in unseren Alltag, in das Leben der Familie und in den Tagesablauf aller arbeitenden Menschen ein.“
Dr. Hartenstein geht dann auf einen bemerkenswerten Aspekt ein, den keiner der anderen Redner aufgreift:
„Aus den eben genannten Gründen erscheint es mir übrigens merkwürdig, daß noch keinerlei öffentliche Debatte darüber im Gange ist. Ich wünschte, sie käme in Gang.“
Problematische Konsequenzen für die Bürger auf den Punkt gebracht
In ihren weiteren Ausführungen findet sie mahnende Worte, für Probleme die auch heute noch Relevanz haben, die allerdings von ihren parlamentarischen Kollegen entweder locker aus dem Handgelenk beiseite gewischt oder erst überhaupt nicht aufgegriffen wurden:
- „Die Verlängerung des Tages bedeutet eine Verkürzung der Entspannungs- und Ruhezeit in der Nacht. Ernstzunehmende Pädagogen warnen uns: Unsere Kinder, sagen sie, werden eine ganze Stunde weniger Schlaf haben.“
- „Der Verkehrslärm wird nicht abflauen, wenn es im Hochsommer bis 22 oder gar 23 Uhr hell bleibt.“
- „Es wird gesagt, die Umstellung auf die Sommerzeit greife nicht in den sogenannten Biorhythmus ein. Bis jetzt liegen darüber keine gesicherten Erkenntnisse vor. Ich rege deshalb an, daß Mediziner, vor allem Kinderärzte und Arbeitsmediziner, und ebenso Pädagogen zu dieser Frage gehört werden.“
Heute würde man diese Expertenliste mit Sicherheit um Chronobiologen ergänzen. Und diese würden Frau Hartenstein die wissenschaftlich fundierte Basis für ihre Bedenken liefern. Vor 41 Jahren lagen diese Antworten jedoch noch größtenteils im Dunkeln.
Fazit
Der letzte Redner Wolfgramm beendete seine Ausführungen mit einem Wilhelm-Busch-Zitat aus dem Maler Klecksel und erntete dafür „Heiterkeit und Beifall bei allen Fraktionen“. Was bleibt von dieser denkwürdigen Sitzung?
Zum einen die Erkenntnis, das Politiker auch nur Menschen und manchmal sogar lustig sind. Zum anderen die Tatsache, dass die 1980 (mit zwei Jahren Verspätung) eingeführte Sommerzeit absolut nichts mit „Energiesparhoffnungen“ zu tun hatte. Das unerwartete Verhalten Frankreichs brachte die Bundesregierung in einen Zugzwang, an den uns die Sommerzeit heute noch erinnert bzw. erinnern sollte.
Wo das eigentliche Gewicht der Vorträge lag, lässt sich leicht erkennen, wenn man die gut 4.500 Wörter lange Mitschrift zur Sommerzeit auf bestimmte Schlüsselbegriffe untersucht:
- Europa: 24x
- Berlin: 20x
- sparen: 9x
- Energie: 8x
- DDR: 6x
- Heiterkeit: 6x (= Resultat des Unterhaltungswerts der Redner)
- Öl: 1x
Dazu ist anzumerken, dass alle Redner dem Aspekt des Sparens durchgehend Wirkungslosigkeit attestieren (außer vielleicht Wolfgramm mit seinen „alternativen Fakten“ aus französischen Kabinettsitzungen).
Sommerzeit – Nicht der Rede wert?!
Als 1980 die Sommerzeit eingeführt wurde, gab es keine nennenswerte öffentliche Debatte oder Empörung. Die Uhren wurden über Jahrzehnte stoisch vor- und wieder zurückgestellt. Erst in der jüngeren Vergangenheit hat sich die Haltung zu dem Thema geändert.
Heute gibt es Stimmen, die dem Thema per se jegliche Relevanz absprechen und es skandalös finden, dass sich Politiker damit überhaupt auseinandersetzen. In Zeiten von Flüchtlingskrisen, Terror und Plastik im Meer muss so etwas Banales wie die Sommerzeit doch nicht auch noch thematisiert werden!
Das sehe ich allerdings anders. Tagtäglich berieseln uns die Medien mit dem gesammelten Horror der Welt. Dinge, die tatsächlich unsere Lebenswirklichkeit beeinflussen, kommen schnell zu kurz. Egal wie man zu der Sache nun steht. Ob immerwährende Sommerzeit oder zurück zur Normalzeit. Eine sachliche Diskussion schadet nie. Vor allem, wenn man nicht jede Stammtischweisheit unhinterfragt weiterplappert und zudem für die Argumente der anderen offen ist 😉
Wer es genau wissen will: Unter dem folgenden Link kann man den gesamten Text der 25. Sitzung des Deutschen Bundestags vom 5. Mai 1977 einsehen (dort ab Seite 1745). Besonders zum Themenfeld Ostblock und DDR gibt es dort noch eine Reihe spannender Fakten. Und der Politikerhumor der späten 70er kommt natürlich auch nicht zu kurz (Heiterkeit!).