Jeder schiebt hin und wieder Dinge auf. Das ist menschlich und in den meisten Fällen unproblematisch. Extremes Aufschieben kann jedoch die berufliche Karriere und die Gesundheit gefährden, das Selbstwertgefühl beschädigen und in die soziale Isolation führen. Der Beitrag erläutert die zugrunde liegenden Mechanismen des sogenannten Prokrastinierens und wie man durch das Erkennen der Ursachen Prokrastination überwinden kann.
Inhalt
Warum man sich mit Prokrastination nicht abfinden sollte
Wer kennt das nicht: Ungeliebte Aufgaben werden mehr oder weniger lang aufgeschoben bis sie sich entweder von selbst erledigt haben oder es allerhöchste Eisenbahn wird. Man kann nicht pauschal sagen, dass es immer schlecht ist, Dinge aufzuschieben. Immerhin belegt allein schon die Tatsache, dass man aufschieben kann, ein gewisses Maß an Entscheidungsfreiheit.
Aufschieben als Ausdruck von Freiheit und Rebellion gegen äußere Zwänge. Das hat durchaus einen gewissen Charme. Vielleicht braucht man einfach den Druck, um sich für spaßige Dinge wie Steuererklärungen, Frühjahrsputz oder Prüfungen jeglicher Couleur motivieren zu können. So weit, so unproblematisch.
Betrachtet man die Tätigkeiten, in denen Prokrastination ganz besonders als Problem wahrgenommen wird, fällt der enge Zusammenhang zwischen Wahlfreiheit und Aufschieben sofort auf. Autoren, Studierende und alle Formen der freien Berufe haben nun mal die Wahl „jetzt oder später“. Dumm nur, wenn diese Wahlfreiheit in Gestalt von hartem Aufschieben aus dem Ruder läuft.
Was ist aber mit den Zeitgenossen, bei denen sich die dauerhafte Erledigungsblockade wie ein roter Faden durch alle Lebensbereiche zieht? Was, wenn der Gedanke an den Job oder das Studium Bauchschmerzen verursacht, weil wichtige Aufgaben immer aufs Neue verschoben werden? Wenn Dinge, die man selbst als wichtig einstuft, immer auf den nächsten Tag, die nächste Woche und schließlich auf „irgendwann“ verschoben werden?
Aufschieberitis in allen Lebenslagen?
Es liegt auf der Hand, dass so ein Verhalten die persönliche Entwicklung massiv blockieren kann. Die berufliche Karriere leidet ebenso wie die sozialen Kontakte.
Angst, Scham, gesundheitliche Schäden bis hin zur Gefährdung der Existenz können drohen. Spätestens wenn klar ist, dass unter diesem Verhalten die Lebensqualität ernsthaften Schaden nimmt, ist dringender Handlungsbedarf gegeben. Die Herausforderung lautet: Wie kann ich meine ganz persönlichen Prokrastinations-Mechanismen überwinden?
Schauen wir uns zuerst einmal an, was man unter dem Fachbegriff für das Aufschieben, der Prokrastination, genau versteht, um uns dann den Ursachen und geeigneten Gegenmaßnahmen zu widmen.
Was ist Prokrastination?
Die wissenschaftliche Bezeichnung für extremes Aufschieben nennt sich Prokrastination und leitet sich aus den lateinischen Begriffen pro (für) und crastinum (morgen) ab. Entsprechend bedeutet es in etwa so viel wie auf morgen verschieben. Wer prokrastiniert, schiebt den Beginn einer Tätigkeit immer wieder auf. Bereits begonnene Arbeiten werden zudem häufig unterbrochen.
Nicht selten dienen Alternativtätigkeiten als Ausweichstrategie – nur um unangenehmen Aufgaben aus dem Weg gehen zu können. In gewisser Weise verschafft man sich so mit falsch gesetzten Prioritäten eine Rechtfertigung für die innere Verweigerungshaltung.
Prokrastination ist ein dauerhaftes Verhalten bei dem unangenehme Tätigkeiten langfristig vermieden werden. Damit unterscheidet sie sich von der Blockade, die eher als ein isoliertes und zeitlich begrenztes Phänomen zu sehen ist.
Aufschieben ist keine Faulheit
Den meisten Aufschiebern kann man keine Faulheit unterstellen. Es wird geputzt, die Ablage sortiert oder „wichtige“ Mails beantwortet – nur um nicht den unangenehmen Anruf oder endlich die Steuererklärung erledigen zu müssen.
Wer im umgangssprachlichen Sinne faul oder sagen wir lieber träge ist, versucht generell Anstrengungen zu vermeiden und ist mangels Motivation damit auch recht zufrieden.
Aufschieber sind dagegen hochgradig aktiv. Sie beschäftigen sich voller Einsatz mit so ziemlich allen Dingen – außer mit den notwendigen aber ungeliebten To-dos.
Aufschieben ist nicht gleich aufschieben
Ich möchte nochmals darauf hinweisen, dass nahezu jeder hin und wieder Dinge aufschiebt, ohne das man von einem ernsten Problem sprechen müsste.
Wenn es draußen wie aus Kübeln schüttet, macht es natürlich Sinn aufzuschieben und den Müll erst später raus zu bringen. Wer allerdings chronisch die Müllentsorgung vermeidet, endet irgendwann unweigerlich als Messi.
Ein anderes Beispiel für unproblematisches Aufschieben liefern die sogenannten Erregungsaufschieber. Besonders bei monoton-langweiligen Tätigkeiten setzen sich diese Aufschieber bewusst selbst unter Zeitdruck.
Sie brauchen den gewissen Kick und genießen die Konsequenzen ihres Prokrastinierens sogar. Auch dieses Verhalten kann durchaus akzeptabel sein.
Dieser Beitrag beschäftigt sich in erster Linie mit den sogenannten Vermeidungsaufschiebern die von negativen Gefühlen – meist mehr oder weniger stark ausgeprägte Angst – ausgebremst werden.
Warum wird prokrastiniert?
Um geeignete Gegenmaßnahmen gegen chronisches Vermeidungsaufschieben finden zu können, muss man sich bewusst machen, welcher grundlegende Mechanismus hinter diesem Verhalten steckt.
Im darauf folgenden Schritt gilt es, den Blick auf die individuellen Ursachen zu richten, die bei dem Einzelnen zugrunde liegen. Für jeden Menschen existiert eine einzigartige Vorgeschichte die die Ursache für das Symptom der Prokrastination bildet.
Der zentrale Mechanismus der Prokrastination:
Aufschieben zwecks unmittelbarer Entlastung
Jedes Aufschieben beginnt mit einer Aufgabe, die ein schlechtes Gefühl verursacht. Die Ursachen für dieses Unwohlsein können dabei sehr unterschiedlich ausfallen. Hier einige Beispiele:
- Auf der Arbeit soll man eine Präsentation vor der gesamten Abteilung halten. Aus Angst den eigenen Ansprüchen nicht gerecht zu werden oder sich im schlimmsten Fall sogar vor den Kollegen zu blamieren entwickelt man geschickte Vermeidungsstrategien: Statt die Präsentation zu erstellen, recherchiert man ewig nach geeigneten Grafiken und durchforstet das Internet auf der Suche nach Inspiration. Unmittelbar vor dem Termin kommt der Gedanke auf, sich lieber krank zu melden als mit einer durchschnittlichen Präsentation zu „glänzen“.
- Ein verdächtiger schwarzer Leberfleck scheint immer größer zu werden. Man vereinbart keinen Termin beim Hautarzt, weil man Angst vor einer schlimmen Diagnose hat. Statt einen Termin abzuklären, entmüllt man den Dachboden.
- Seit 15 Jahren übt man den gleichen langweiligen Job aus. Die innere Kündigung hat man schon vor einer gefühlten Ewigkeit eingereicht; trotzdem schleppt man sich Woche für Woche zur Arbeit und tauscht Lebenszeit gegen Geld. Bei aller Routine kann man sich nicht dazu aufraffen, Ordnung im Posteingang zu schaffen. Stattdessen schreibt man eine Notiz „Mails abarbeiten“ für die kommende Woche in den Terminplaner. So läuft das jetzt schon seit Monaten.
Wie die kleine Auswahl an Beispielen zeigt, ist das Vorspiel jedes Aufschiebens ein mehr oder weniger intensives Gefühl der Abneigung. Vielleicht handelt es sich um eine so banal erscheinende Emotion wie Langeweile oder es gibt Zeitvertreibe, die man dem anstehenden Hausputz vorzieht. Z. B. Katzenvideos auf YouTube – auch schön.
Im schlimmsten Fall löst die zu bewältigende Aufgabe sogar Angst aus und die Vermeidungshaltung nimmt die Gestalt des Selbstschutzes an. Offensichtlich führen Aufschieber einen permanenten inneren Kampf zwischen dem Notwendigen und der Abneigung gegenüber eben jenen Pflichten. Wobei die Aufschieber diesen Kampf mit schöner Regelmäßigkeit verlieren.
Prokrastination überwinden:
Erklärungen für das Aufschieben
Jeder kennt Situationen oder Aufgaben, denen er gerne aus dem Weg gehen würde. Aber warum schieben die einen auf bis sie mit dem Rücken zur Wand stehen, während andere auch die unangenehmsten Aufgaben ohne nennenswerte Verzögerungen durchziehen?
Wenn jeder unangenehme Situationen kennt, aber nicht jeder (ernsthaft) prokrastiniert, muss es logischerweise Ursachen geben, die eine individuelle Erklärung für das Aufschiebe-Phänomen liefern.
Aufschieben als Gewohnheit
Bei vielen Aufschiebern geht die Problematik bis in die Kindheit zurück. Der grundlegende Mechanismus funktioniert dabei in der Regel nach folgendem Schema:
Es steht eine mehr oder weniger unangenehme Aufgabe an. Vielleicht die Schulaufgaben oder das Lernen für eine Klassenarbeit. Im Rahmen der Möglichkeiten schiebt man diese Verpflichtungen auf.
Dieses Aufschieben ist letztendlich nichts anderes als ein zeitliches „aus-dem-Weg-gehen“. Man belohnt sich mit kurzfristiger Spannungserleichterung in Form von weniger unangenehmen Aktivitäten bzw. Freizeit.
Faktisch wird bereits hier der Grundstein für einen problematischen, sehr eng gefassten, zeitlichen Horizont gelegt. Das gute Gefühl im Hier-und-Jetzt zählt zunehmend mehr als das große Ganze. Langfristig erweist sich dieses Verhalten jedoch als gefährliche Entwicklungsbremse in allen Lebensbereichen!
Aufschieben als Symptom tiefer liegender Konflikte
Menschen die in ihrem Leben – nicht selten bereits während ihrer Kindheit – immer wieder Ablehnung und Abwertung erfahren haben, tendieren dazu ihr Selbstwertgefühl eng mit ihren Leistungen und Erfolgen zu verknüpfen.
Natürlich sorgt das für permanenten Leistungsdruck und die tief sitzende Angst Fehler zu begehen. Mit dieser Einstellung sind beste Voraussetzungen für hartes Aufschieben gegeben.
Prokrastination wird ebenfalls von mangelhafter Klarheit was Ziele angeht begünstigt. Chronische Aufschieber wissen meist sehr genau, was sie nicht wollen – damit endet aber auch schon oft ihre „Klarheit“.
Motivation und Durchhaltevermögen brauchen ein Mindestmaß an stimmiger Zielsetzung. Passend zu dem auf Seneca zurückgehenden Zitat:
„Wer den Hafen nicht kennt, in den er segeln will,
für den ist kein Wind der richtige.“
Aufschieben als Symptom von Angst und Erkrankungen
Neurotische Störungen können die Ursache für routinierte Vermeidungsstrategien sein; gleiches gilt für Erkrankungen wie Depressionen, Borderline-Störung und ADS/ADHS. Es liegt auf der Hand, dass ganz besonders Angststörungen das Aufschieben massiv begünstigen können.
Angst ist ein sehr mächtiges Gefühl. Zudem kann man Ängste vor so ziemlich allem entwickeln. Vom Gesundheits-Check beim Arzt über die Frage nach einer Gehaltserhöhung bis hin zu allem, bei dem wir uns einer Bewertung durch andere aussetzen müssen – Angst kann sich zu einem ernsthaften Problem entwickeln.
Wer in bestimmten Situationen Angst empfindet, obwohl eigentlich gar keine ernsthafte Bedrohung vorliegt, wird dazu tendieren, solche Situationen gezielt zu vermeiden. Prüfungsangst führte so schon zu vielen Extrasemestern und Studienabbrüchen. Angst vor dem Zahnarzt zu vielen Wurzelbehandlungen. Die Liste mit Beispielen lässt sich beliebig fortsetzen.
Steckbrief: Ein typischer Aufschieber
Schauen wir uns jetzt einmal an, wie ein typischer Aufschieber „gestrickt“ ist. Auf dieser Basis aufbauend lässt sich der idealtypische Steckbrief des Hardcore-Aufschiebers ableiten. Dieser Steckbrief liefert uns bereits die Ansatzpunkte für geeignete Gegenmaßnahmen, um den wirkungsvollen Kampf gegen die Prokrastination aufnehmen zu können.
- Meist wird schon seit der Kindheit aufgeschoben.
- Was Angst oder Unlust auslöst, wird aufgeschoben.
- Aufschieber lassen sich leicht ablenken und haben eine schwach ausgeprägte Impulskontrolle.
- Aufschieben soll die permanent gefürchtete Selbst- oder Fremdverurteilung verhindern; sie dient somit dem Schutz des Selbstwertgefühls.
- Aufschieber sind oft Perfektionisten.
- Meist fehlt ein stimmiger Lebensentwurf und somit erstrebenswerte Ziele.
- Sprunghaftes Verhalten: Aufschieber wechseln gerne zwischen unterschiedlichen Aufgaben und lassen sich leicht ablenken.
- Aufschieber sind auf Arbeitsergebnisse fixiert – die einzelnen Schritte auf dem Weg zu diesem Ergebnis sind aber schlecht geplant. Oft steht Aktionismus im Vordergrund statt planvoll-strukturiertes Vorgehen.
- Wer aufschiebt hat oft Angst vor der Bewertung durch andere.
- Aufschieber haben Defizite beim Setzen von Prioritäten. Oft verwenden sie jede Menge Zeit auf Nebensächliches.
- Wer aufschiebt, wartet oft auf „Inspiration“, d. h. den richtigen Moment oder die richtige Stimmung, um mit der eigentlichen Arbeit anzufangen.
- „Irgendwann komme ich noch groß raus“ bzw. „Ich könnte ja, wenn ich wollte“ – das Prokrastinieren sorgt dafür, dass man an seinem verklärt-überhöhten Selbstbild weiter festhalten kann. Aktiv werden ist immer auch ein Realitäts-Check; Aufschieber fürchten diesen oft.
- Aufschieber fühlen sich bei umfangreichen und dadurch komplexen Aufgaben leicht überfordert. Der Berg aus Arbeit erscheint übermächtig. Statt mit dem ersten Arbeitsschritt anzufangen, wird nicht selten auf eine völlig andere Tätigkeit ausgewichen.
- Aufschieber schätzen die kurzfristige Belohnung wertvoller ein als die langfristigen Ziele. Man könnte hier auch von zeitlicher Kurzsichtigkeit sprechen.
Zwischenfazit
Zusammengefasst kann man sagen, dass Prokrastination meist ein erlerntes und zudem schon sehr lange bestehendes Verhalten ist. Der grundlegende Mechanismus liegt in der schnellen Entlastung von unangenehmen bzw. als bedrohlich wahrgenommenen Emotionen.
Warum diese Situationen so negativ wahrgenommen werden ist die zentrale Frage. Wer etwas gegen sein Aufschieben tun und die Prokrastination überwinden will, muss diese Frage analysieren und beantworten können – evtl. mit professioneller Hilfe.
Schritt für Schritt:
Wie man Prokrastination überwinden kann
Wie gezeigt wurde, ist Prokrastination vor allem ein Symptom für den suboptimalen Umgang mit unangenehmen bzw. als bedrohlich wahrgenommenen Gefühlen. Nur wenn es gelingt, mit diesen Emotionen anders umzugehen, besteht eine Chance, das persönliche Aufschiebeverhalten in den Griff zu bekommen.
Die Herausforderung besteht also darin, sich nicht mehr durch negative Gefühle überwältigen, und in die Aufschiebe-Flucht schlagen zu lassen. Dafür braucht es ein Verständnis der zugrunde liegenden inneren Konflikte. Nur wenn man sich diese bewusst macht, können geeignete Gegenmaßnahmen gefunden werden.
Zuletzt wären da natürlich auch noch die altbekannten Instrumente aus den Bereichen der Planung und des Selbstmanagements. Gehen wir aber Schritt für Schritt vor.
Prokrastination überwinden Schritt 1:
Aufschieben als Problem wahrnehmen!
Es ist nicht hilfreich, sich selbst als chronischen Aufschieber abzuwerten. Auf diese Weise stellt man sich selbst in die Loser-Ecke und stempelt sich zum hoffnungslosen Fall.
Folgerichtig schlägt Hans-Werner Rückert in seinem Buch Schluss mit dem ewigen Aufschieben vor, sich ganz bewusst als jemanden zu sehen, der zurzeit aufschiebt, das als Problem erkennt und entsprechend etwas dagegen tun will.
Wer prokrastiniert verheimlicht meist die tatsächlichen Gründe gegenüber seinen Mitmenschen. Das ist kein Wunder, wenn man bedenkt, das Aufschieben meist mit Scham und Selbstzweifeln einhergeht.
Spätestens wenn man für sich selbst erkannt hat, dass man ein Problem hat, das man offensiv angehen will, sollte man darüber mit Menschen aus dem näheren Umfeld sprechen. Das sorgt für mehr Verständnis und kann zudem auch wertvolle Tipps bringen.
Prokrastination überwinden Schritt 2:
Sich selbst erkennen!
In diesem Schritt geht es darum, dem eigenen Aufschiebeverhalten auf den Grund zu gehen. Idealerweise nimmt man sich einen wichtigen Sachverhalt vor, bei dem man hartnäckig prokrastiniert. Dieser wird dann intensiv analysiert. Hier die zentralen Fragen, auf die es Antworten zu finden gilt:
- Was schiebt man genau auf?
- Welche Gefühle begleiten das Aufschieben?
- Mit welchen „Tricks“ schiebt man auf? Mit welchen Scheinargumenten rechtfertigt man es?
- Wie würde sich die Gesamtsituation verändern, wenn man nicht mehr aufschieben würde?
- Was sind die wirklichen Ursachen meines Aufschiebens?
- Was ist der zugrunde liegende Konflikt?
- Wann war der früheste Zeitpunkt, als so ein Verhalten zum ersten Mal auftauchte?
Prokrastination überwinden Schritt 3:
Selbstvertrauen aufbauen und Angst überwinden!
Die für das Aufschieben verantwortlichen Ängste sind nicht selten auf mangelndes Selbstvertrauen zurückzuführen. Wie kann man diese Ängste aber überwinden?
In extremen Fällen führt kein Weg an professioneller Hilfe in Form einer Therapie vorbei. Für die meisten Aufschieber bestehen allerdings gute Chancen, ihre Ängste in den Griff zu bekommen.
Ich möchte hier keine unrealistischen Erwartungshaltungen schüren: ein Leben ohne Angst ist natürlich eine Illusion. Angst gehört zum Leben nun mal dazu und erfüllt wichtige Funktionen. Fritz Riemann bringt das in seinem Klassiker Grundformen der Angst treffend auf den Punkt:
„Wenn wir Angst einmal ‚ohne Angst‘ betrachten, bekommen wir den Eindruck, daß sie einen Doppelaspekt hat: einerseits kann sie uns aktiv machen, andererseits kann sie uns lähmen. Angst ist immer ein Signal und eine Warnung bei Gefahren, und sie enthält gleichzeitig einen Aufforderungscharakter, nämlich den Impuls, sie zu überwinden.“
Genau der letzte Satz von Riemann liefert den entscheidenden Ansatzpunkt: Angst muss – außer in lebensbedrohlichen Situationen – überwunden werden. Dass sie uns lähmt, kann nicht hingenommen werden.
Jeder sollte sich zudem klar machen, dass die Angst umso mehr die Kontrolle übernimmt, je mehr wir uns von ihr kontrollieren lassen. Im Umkehrschluss gilt es, sich der Angst immer wieder aufs Neue zu stellen und besonders den unbegründeten Ängsten ihre Macht zu nehmen.
Ein Beispiel. Wer kennt nicht einen Gruselfilm, der in unserer Kindheit für schlaflose Nächte gesorgt hat. Heute schlafen wir oft schon ein, während wir diesen Film anschauen 😉 Durch das langsame Herantasten, die Steigerung der Intensität kommt es zu entsprechenden Anpassungen.
Genau dieses Robustwerden lässt sich auf die meisten angstauslösenden Situationen anwenden. Egal ob es das freie Sprechen vor Fremden, das Treffen von Entscheidungen oder Termine beim Zahnarzt sind. Auch die Angst, sich zu blamieren bekämpft man am besten, indem man möglichst viele Situationen herbeiführt, in denen die Gefahr einer Blamage groß ist.
Prokrastination überwinden Schritt 4:
Selbstwertgefühl nicht von Erfolgen abhängig machen!
Wenn man sein Selbstwertgefühl überwiegend von den persönlichen Leistungen und Erfolgen abhängig macht, setzt man sich unter massiven Druck. Jedes Scheitern, ja schon Mittelmäßigkeit droht dann das Selbstwertgefühl zu beschädigen.
Wer sich durch jeden kleinen Misserfolg in seiner Gesamtheit abwertet, macht sich das Leben zur Hölle. Vermeidet man alle Situationen, in denen man ein Scheitern befürchtet, beraubt man sich natürlich auch der möglichen Lerneffekte und blockiert so seine Entwicklung.
Deshalb sollte man sich immer klar machen, dass man, wie jeder Mensch, Stärken und Schwächen hat. Wenn eine Sache mal nicht so gut läuft, ist das kein Grund sich in der Gesamtheit als Person abzuwerten.
Prokrastination überwinden Schritt 5:
Realistische Ziele statt Träumereien!
Positives Denken ist ja besonders in der einschlägigen Ratgeberliteratur sehr angesagt. Tatsächlich ist es eher eine gefährliche rosarote Brille, die für Fehleinschätzungen und Passivität sorgt.
Deutlich mehr bringt eine realistische Überprüfung der gegenwärtigen Situation und der angestrebten Ziele. Sich alles in den schönsten Farben einer erfolgreichen Zukunft auszumalen ist die eine Sache. Der unweigerlich eintretende Katzenjammer in Anbetracht der nicht zu leugnenden Realität die weniger schöne Seite der gleichen Medaille.
Alle Wünsche und Ziele, die man mit sich herum trägt, sollten deshalb einer angemessenen Prüfung unterzogen werden. Oft ist es hierbei hilfreich, einen gute(n) Freund(in) mit ins Boot zu nehmen. Entscheidend ist dabei, dass die Person ehrlich ist und kein Problem damit hat, gnadenlos den Stöpsel aus den aufgeblasenen Luftschlössern des Wunschdenkens zu ziehen.
Prokrastination überwinden Schritt 6:
Ziele müssen SMART sein!
Wer sein Aufschieben überwinden will, muss klare Ziele definieren die dann in kleinen Etappen realisiert werden. Zudem müssen die Ziele ein Mindestmaß an Attraktivität aufweisen – die Ziele müssen zur Persönlichkeit passen.
Nur vage ausformulierte Ziele und Zielkonflikte kosten jede Menge Energie. Wegen fehlender Klarheit müssen permanent schwierige Entscheidungen getroffen werden. Was mache ich als nächstes? Wie viel Zeit nehme ich mir dafür? Will ich das überhaupt?
Ohne Klarheit hinsichtlich der gesetzten Ziele und Planung der Umsetzung macht man sich das Leben unnötig schwer und erschöpft zudem seine Willenskraft. Wie man die Willenskraft trainieren kann, wurde von mir bereits in einem früheren Beitrag gezeigt.
Eine sehr hilfreiche Technik ist die sogenannte SMART-Methode. Hier werden Ziele exakt ausformuliert und zudem einer generellen Prüfung unterzogen. In Kombination mit der ALPEN-Methode schafft man Klarheit darüber, was man überhaupt will, was realistisch ist und wie die Umsetzung klappt.
Diese Ziele und die einzelnen Schritte ihrer Realisation sollten unbedingt schriftlich festgehalten werden. Aber auch wenn dabei Probleme auftreten (Ablenkungen, Motivationslöcher etc.) sollte das dokumentiert werden!
Diese Selbstbeobachtung leistet wertvolle Dienste um Schwierigkeiten und Störungen zu registrieren und dann wirkungsvolle Gegenmaßnahmen entwickeln zu können.
Prokrastination überwinden Schritt 7:
Einfach anfangen!
Der letzte Punkt soll verhindern, dass man vor lauter guter Vorsätze am Schluss doch nicht zu Potte kommt. Planung und Selbstorganisation sollen das Leben leichter machen und nicht zum Selbstzweck verkommen!
Wie viele Stunden wurden mit Terminplaner-Apps und ausgefeilten Planungen verbracht, ohne dem eigentlichen Ziel auch nur einen Millimeter näher gekommen zu sein?
Prokrastination überwinden bedeutet vor allem, sein konkretes Handeln zu ändern. Damit dieses Handeln auch erfolgversprechend und effektiv ist, braucht es natürlich ein gewisses Maß an Zielsetzung und Planung. Trotzdem muss man sich dazu verpflichten, zu einem konkret festgelegten Zeitpunkt den ersten Schritt zu unternehmen.
Wenn der innere Widerstand immer noch zu groß ist, kann man sich oft mit der „Nur-fünf-Minuten-Methode“ einen Tritt in den Hintern geben, bzw. sich selbst austricksen. Man stellt einen Timer – es müssen nicht unbedingt fünf Minuten sein – auf eine relativ kurze Zeitspanne, die gerade so noch erträglich erscheint. Für diesen überschaubaren Zeitraum nimmt man sich vor, konzentriert an der verhassten Aufgabe zu arbeiten. Wenn die Zeit um ist, wird man oft den ersten Widerstand überwunden haben und kann einfach weitermachen.
Es ist empfehlenswert, direkt mit einer Handlung zu beginnen, bei der man einen gewissen inneren Widerstand überwinden muss. Vielleicht ein unangenehmes Telefonat oder Gespräch mit einem schwierigen Kunden. Ist die erste Hürde genommen (Super, dass ich das schon erledigt habe!) hat man bereits ein erstes Erfolgserlebnis verbucht. Davon profitieren Motivation, Selbstwertgefühl und alle noch folgenden Aufgaben des Tages.
Prokrastination überwinden:
Ein ordentliches Stück Arbeit, das sich auszahlt!
Der Beitrag zeigte, dass es mehr als gute Vorsätze, Apps und Zeitmanagement-Techniken braucht um die persönliche Aufschieberitis in den Griff zu bekommen. Prokrastination überwinden bedeutet immer auch, sich mit der eigenen Lebensgeschichte auseinander zu setzen.
Welche Ereignisse führten dazu, dass man an sich unproblematische Situationen als unangenehm wahrnimmt? Warum hat man über viele Jahre eine Vermeidungsstrategie kultiviert, die sich langfristig zunehmend negativ auswirkt?
Die Auseinandersetzung mit diesen Frage bildet das Fundament jeder nachhaltigen Veränderung. Alle konkreten Techniken des Zeitmanagements für mehr Effizienz und Effektivität setzen auf diesem Fundament auf. Wer also etwas gegen chronisches Aufschieben unternehmen will, sollte zuerst intensive Ursachenforschung in der eigenen Vita betreiben.