Wer seine Zeit gut nutzen will, braucht mehr als klare Ziele und wohldurchdachte Pläne. Willenskraft ist die entscheidende Zutat, damit Handlungen auch tatsächlich umgesetzt werden und nicht für immer ein Dasein als gute Vorsätze fristen müssen. Leider ist Willenskraft ein knappes Gut. Der Beitrag zeigt, wie man mit einer einfachen Atemübung dem Gehirn einen wirksamen Willenskraft-Workout spendieren kann, der bereits nach wenigen Wochen die Selbstkontrolle deutlich verbessert. Los geht’s!
Inhalt
Willenskraft für einen
klugen Umgang mit Zeit
Willenskraft und die Art und Weise, wie wir unsere Zeit nutzen, hängen eng zusammen. Hand aufs Herz: In vielen, wenn nicht den meisten Fällen wissen wir ganz genau, wie in einer bestimmten Situation die richtige Handlung aussieht. Wichtige Aufgaben sind zu erledigen, die durch aufschieben zu ernsthaften Stressfaktoren mutieren können. Allerdings surft man in vielen Fällen lieber noch eine weitere Stunde durch die sozialen Netzwerke oder schaut sich lustige Tiervideos an.
Die Freizeit möchte man ja an sich mit vernünftigen Aktivitäten ausfüllen. Mehr Sport machen oder sich mit Freunden treffen. Am Ende landet man nach Feierabend immer noch viel zu oft vor der Glotze und lässt sich vom Unterschichten-TV berieseln. Dazu etwas Süßkram – schließlich ist man von den 300 Kilos amerikanischer Magenbandpatienten noch ein gutes Stück entfernt.
Ganz klar: Übermächtig lauern an jeder Ecke Versuchungen, die zu einem mehr oder weniger desaströsen Kontrollverlust ausarten können. Mehr Willenskraft muss her, aber schnell!
Eine Methode, die im Netz kursiert, ist die morgendliche eiskalte Dusche. Eine super Sache – so wird behauptet – um mit minimalem Zeitaufwand innerhalb von 30 Tagen ein Disziplinmonster zu werden. Sicher einen Versuch wert, aber ich möchte eine weniger rabiate und vor allem eher praktikablere Methode vorstellen: die Fünf-Minuten-Atemtechnik.
Fünf Minuten für mehr Willenskraft
Bevor es zur konkreten Technik der Atemmeditation geht, möchte ich einige Grundlagen erläutern. Folgende Punkte sind zu klären:
- Was versteht man unter Willenskraft?
- Wo „sitzt“ die Willenskraft im Gehirn?
- Wie kann man die Willenskraft trainieren?
Was versteht man unter Willenskraft?
Menschen setzen sich in den unterschiedlichsten Lebensbereichen Ziele. Ziele sind normalerweise erstrebenswerte Zustände, die man erreichen möchte. Sie können sich vom zeitlichen Umfang sehr unterscheiden.
Man kann sich zum Beispiel das Ziel setzen, bis zum nächsten Sommer zehn Kilo abzunehmen oder innerhalb der nächsten 30 Jahre eine solide finanzielle Basis für die Zeit als Rentner zu schaffen.
Für beide Beispiele gilt, dass bestimmte Handlungen die Zielerreichung unterstützen und andere diese eher sabotieren. Willenskraft bezeichnet die psychische Energie, die man benötigt, um im Sinne der gesetzten Ziele das Richtige zu tun. Und das bedeutet im Umkehrschluss natürlich auch, Unvernünftiges bleiben zu lassen.
Wo „sitzt“ die Willenskraft im Gehirn?
Beim Menschen sitzt die Willenskraft im präfrontalen Cortex. In diesem Bereich unterscheidet sich unser Gehirn deutlich von unseren nächsten tierischen Verwandten, den Primaten. Untersuchungen zeigten, dass deren planerischer Horizont ungefähr bei 20 Minuten in der Zukunft liegt. Schimpansen machen sich somit keinerlei Gedanken oder Sorgen um den nächsten Tag – geschweige denn über ihre Altersvorsorge.
Menschen, die sich durch ein Schädel-Hirn-Trauma diesen Bereich des Gehirns verletzt haben, hatten danach Probleme ihre Impulse zu kontrollieren. Auch sind in solchen Fällen gravierende Persönlichkeits-Veränderungen dokumentiert.
Wie kann man die Willenskraft trainieren?
Es wird auf längere Zeit, oder vielleicht sogar niemals, möglich sein, die tatsächliche Denktätigkeit des Gehirns auszulesen. Trotz aller bildgebenden Verfahren ist das bis auf Weiteres eher Science-Fiction als eine realistische wissenschaftliche Perspektive. Trotzdem gibt es eine Reihe von Tatsachen.
- Bestimmte Regionen des Gehirns kommen spezifische Aufgaben zu.
- Das Gehirn ist in jedem Alter formbar; es ist „plastisch“.
- Man kann den Anpassungsprozess des Gehirns bewusst vorantreiben.
Nach dem bisherigen Vorab-Geplänkel wird es jetzt konkret. Wir wissen, dass der präfrontale Cortex für jegliche Willenskraft-Herausforderungen die Schaltzentrale darstellt. Zudem ist das Gehirn – je nachdem wie es gefordert wird – zur Anpassung fähig.
In gewisser Weise reagiert das Gehirn wie ein Muskel: Trainieren wir unsere Willenskraft, wird diese wachsen. Tatsächlich lässt sich dieses Wachstum auch physisch im präfrontalen Cortex erkennen: dort entsteht dann neues Gewebe und die Anzahl neuronaler Verknüpfungen nimmt ebenfalls zu.
Um die Muskel-Analogie nochmals zu bemühen: Wie bei einem Muskel muss man einen angemessenen Trainingsreiz finden. Wer seine Willenskraft, wie oben erwähnt, mittels kalter Duschen stählen will, läuft Gefahr, früher oder später dann doch die Entscheidung zugunsten des warmen Wassers zu treffen. Wer sich morgens so fühlt, wie der Kopf von Jeremy Bentham heute ausschaut, hat nun mal wenig Lust auf kaltes Wasser. Die hier vorgestellte Aufgabe hat demgegenüber einige Vorteile:
- Auch für einen relativ schwach ausgeprägten „Willenskraftmuskel“ ist sie problemlos anwendbar.
- Die Gefahr zu scheitern ist gering.
- Man spart Wasser 😉
Anleitung:
Atemmeditation für
mehr Willenskraft
Die Technik, die ich hier vorstellen möchte, ist einfach durchzuführen. Bei regelmäßiger Durchführung liefert sie eine Reihe positiver Auswirkungen:
- Stress wird reduziert.
- Innere Ablenkungen wie zum Beispiel schädliches Verlangen (Zigaretten, Alkohol, Süßkram) oder Sorgen werden besser kontrollierbar.
- Gleiches gilt für äußere Ablenkungen wie Lärm oder visuelle Reize.
Es liegt auf der Hand, dass die genannten Auswirkungen direkt (Kontrolle schädlicher Impulse) oder indirekt (Stress schwächt die Selbstkontrolle = Willenskraft ebenfalls) unsere Willenskraft stärken. Drei Punkte sind bei der Durchführung dieser Meditation zu beachten.
Erstens:
Man setzt sich still hin!
Es sollte eine bequeme Position sein. Der Rücken ist gerade, die Hände ruhen im Schoß. Die erste Herausforderung liegt nun darin, in dieser Position zu verharren. Oft ist es so, dass man ausgerechnet dann, wenn man still sitzen will/soll zum Beispiel das dringende Bedürfnis hat, sich an der Nase zu kratzen. Oder plötzlich ist die Position gar nicht mehr sooo bequem.
In solchen Fällen sollte man sich bestenfalls minimal bewegen bzw. den Juckreiz beobachten – sich aber nicht kratzen. Das bewusst-kontrollierte Stillsitzen ist nämlich bereits der erste Teil unseres Willenskraft-Workouts! Hier wird trainiert, nicht einfach jedem spontanen Impuls nachzugeben.
Zweitens:
Konzentration auf den Atem!
Es kann hilfreich sein, hierbei die Augen zu schließen. So besteht weniger Ablenkung durch visuelle Eindrücke und die Konzentration auf den Atem kann besser gelingen. Wer sich Sorgen macht, spontan in eine Tiefschlaf-Phase zu fallen, kann auch den Blick auf eine leere Wand richten.
Um den Atem wirklich bewusst wahrzunehmen, sagt man sich im Geist jeweils passend zur Atemphase „einatmen“ und „ausatmen“. Mir persönlich gefallen die Worte „ein“ und „aus“ deutlich besser. Ich dehne sie im Geist synchron zu meiner Atmung (eiiinnnn – auussss). Da die Wörter ja nicht wirklich gesprochen werden, braucht man sich keine Sorgen darüber zu machen, dass andere die Übung für eine Verhaltensauffälligkeit halten.
Für den Fall, dass man während der Übung anfängt, die Gedanken schweifen zu lassen (Einkaufs- oder To-do-Listen erstellt), richtet man diese wieder bewusst auf die Atmung. Wie im „richtigen Leben“ ist es eine permanente Herausforderung, bei Ablenkungen wieder den Fokus auf die wichtigen Dinge zu legen. Genau das wird hier simuliert und somit trainiert.
Drittens:
Bewusst die Atmung und
aufkommende Gedanken wahrnehmen!
Wenn man die Übung einige Minuten durchgeführt hat, sollte man versuchen, die Wörter ein-/ausatmen nicht mehr zu denken. Stattdessen konzentriert man sich auf seinen Körper. Man spürt, wie sich Bauchdecke oder Brustkorb heben und senken. Man spürt den Untergrund, auf dem man sitzt. Falls sich wieder Gedanken an andere Dinge melden, versucht man immer wieder die Konzentration zurück auf die Atmung zu lenken.
Anmerkungen zur Atemmeditation
Zum Einstieg ist es sinnvoll, die Übung täglich für fünf Minuten durchzuführen. Man sollte sich auf keinen Fall schon zum Einstieg überfordern. Auch sollten wenig Umgebungsreize gegeben sein. Ruhe und geschlossene Augen sind meiner Meinung nach die idealen Rahmenbedingungen. Nach und nach kann man die Übung auf etwa 15 Minuten ausdehnen – aber nur, wenn man sich dabei gut fühlt. Wie bei jedem Training ist die regelmäßige Durchführung entscheidend: Lieber jeden Tag fünf Minuten, als ein Mal 35 Minuten pro Woche.
Ideal ist natürlich eine feste Zeit an jedem Tag der Woche. Morgens nach dem Aufstehen oder abends nach Feierabend. Die Übung hat dann irgendwann den Charakter eines festen Rituals und es braucht keine große Willenskraft mehr um sie durchzuführen.
Bei Gehirnscans hat sich gezeigt, dass die Atemmeditation zu einer verstärkten Aktivität im präfrontalen Cortex führt. Dieser wird stärker durchblutet. Bereits drei Stunden Meditation (das wären dann 36 Übungseinheiten zu je fünf Minuten) verbessern die Aufmerksamkeit und Selbstregulation. Nach 11 Stunden konnte dieser Effekt an der grauen Substanz des präfrontalen Cortex auch physisch nachgewiesen werden!
Fazit:
Die Methode ist einfach umzusetzen und benötigt wenig Zeit. Zudem können die positiven Auswirkungen von Meditationstechniken als wissenschaftlich abgesichert gelten. Deshalb sollte jeder, der seine Willenskraft stärken möchte, der Fünf-Minuten-Atemmeditation eine Chance geben.