Prioritäten setzen bedeutet, das Wichtigste zuerst zu tun. Dieser Ratschlag hilft jedoch herzlich wenig, wenn sich täglich eine Flut von scheinbar unaufschiebbaren Aufgaben über uns ergießt. Der Beitrag zeigt, warum dringende Aufgaben ein Warnsignal darstellen können und wie man es schafft, mehr Zeit für die wirklich wichtigen Dinge zu bekommen. Zusätzlich wird die Eisenhower-Methode vorgestellt, die anhand der Kriterien Dringlichkeit und Wichtigkeit das Priorisieren erleichtern soll.
Inhalt
Dringlichkeit und Wichtigkeit:
DIE Prioritätskriterien schlechthin!
Um vernünftig zu priorisieren, muss man die anstehenden Aufgaben anhand von Kriterien bewerten. Dringlichkeit und Wichtigkeit sind zwar nicht die einzigen Merkmale, um zu erledigende Aufgaben in der optimalen Reihenfolge zu bearbeiten. Sie sind aber von so großer Bedeutung, dass sie den Einstieg in alle Priorisierungsbemühungen bilden sollten. Schauen wir uns zuerst die Begriffe etwas genauer an, um dann an konkreten Beispielen ihren Einsatz zu testen.
Dringlichkeit:
Bei dem Kriterium der Dringlichkeit geht es ausschließlich um den zeitlichen Aspekt. Konkret: Für eine Aufgabe gibt es eine Frist, die zu einem eindeutig definierten Zeitpunkt endet. Steuererklärungen, Bewerbungsfristen, Prüfungen und viele der alltäglichen Aufgaben im Job haben solche „Deadlines“.
Immer wenn noch reichlich Zeit zur Verfügung steht, ist ein Sachverhalt auch nicht dringlich. Aber es ist klar, dass auch die längste verfügbare Zeitspanne stetig schrumpft – und entsprechend nimmt die Dringlichkeit schleichend zu.
Beispiele:
- Die Steuererklärung muss in drei Tagen abgegeben werden; sonst droht eine Schätzung der Einkünfte/zu zahlenden Steuern.
- Zahnschmerzen machen sich bemerkbar; der letzte Zahnarztbesuch liegt bereits zwei Jahre zurück.
- Ein Wasserrohrbruch verwandelte die Wohnung letzte Nacht in ein Feuchtbiotop.
- Der zweijährige Sohn hat plötzlich hohes Fieber.
Wichtigkeit:
Beim Aspekt der Wichtigkeit wird die Sache schon etwas komplizierter. Das hat mehrere Gründe. Wichtigkeit bezieht sich immer auf die Größe der Auswirkungen, die durch ein bestimmtes Handeln zu erwarten sind. Zukünftige Auswirkungen sind aber immer mit einer gewissen Unsicherheit behaftet – man kann in vielen Fällen nun mal nicht genau vorhersagen, wie es kommen wird.
Trotzdem lassen sich aus einer Kombination von Erfahrungswerten und gesundem Menschenverstand brauchbare Schlüsse ziehen. Wichtigkeit kann dabei zweierlei bedeuten: Zum einen in der Form, dass man sich „verbessert“. Sport und gute Ernährung verbessern Gesundheit und Leistungsfähigkeit. Wer gute Arbeit leistet, kann seine beruflichen Aufstiegs-Chancen verbessern.
Auf der anderen Seite kann Wichtigkeit auch darin Ausdruck finden, dass negative Entwicklungen – und mit diesen einhergehende Kosten – verhindert werden. Man sollte sich im Auto anschnallen, um Ärger mit der Polizei und schwere Verletzungen zu vermeiden. Fristen müssen eingehalten werden, um Vertragsstrafen oder sonstigen vermeidbaren Kosten aus dem Weg zu gehen.
Beispiele:
- Alle Unterlagen und Belege für die Steuererklärung wurden über das Jahr in einem Ordner abgelegt; an einem Wochenende im Januar macht man traditionell die Steuererklärung.
- Bei einem routinemäßigen Zahnarztbesuch wird gleich der nächste Kontrolltermin vereinbart.
- Man plant ein Überraschungswochenende für den Partner. Anlass ist der Hochzeitstag.
- Bei der Präsentation, die man nächsten Monat hält, wird ein Regionalleiter anwesend sein.
Wichtig, dringlich oder beides?!
Es dürfte aufgefallen sein, dass die oben genannten Beispiele für Dringlichkeit auch alle wichtig sind. In jedem Fall hätte eine verzögerte Bearbeitung (potenziell) schwerwiegende Konsequenzen. Allerdings wird auch klar, dass weder die Steuererklärung noch die Zahnprobleme dringlich hätten werden müssen! Nachlässigkeit bei der Terminplanung und Aufschieben waren vermutlich die Ursachen. Was lässt sich daraus ableiten?
Wichtiges sollte möglichst selten dringlich sein!
Wichtige Aufgaben sind in ihren Auswirkungen per Definition von großem Gewicht. Entsprechend sollte man sie mit der notwendigen Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit behandeln. Es ist nicht empfehlenswert, bei der Steuererklärung zu schludern! „Kleinigkeiten“ können leicht zu ernsthaften Problemen mutieren.
Der Kontrolltermin beim Zahnarzt wird vergessen oder einfach ignoriert. Bei leichten Zahnschmerzen nimmt man für eine Woche Schmerztabletten. Am Ende steht eine Wurzelbehandlung oder sogar teurer Zahnersatz. Der ganze Ärger wäre leicht zu vermeiden gewesen. Auch bei der Steuererklärung kann sich niemand damit herausreden, von dem Termin überrascht worden zu sein. Anfangs hatte man noch alle Zeit der Welt.
Will man schließlich die Aufgabe „Just-in-Time“ erledigen, braucht es nur wenig, um in ernsthafte Zeitprobleme zu geraten: PC-Probleme, Krankheit usw. – plötzlich muss man an mehreren Fronten gleichzeitig kämpfen. Dabei wäre das ganz leicht zu verhindern gewesen. Terminkalender, To-do-Liste und angemessene Planung verhindern, dass plötzlich alles dringlich wird und diverse Deadlines uns das Fürchten lehren.
Natürlich gibt es auch Situationen, in denen Wichtiges auch dringlich ist. Solche Aufgaben haben immer sehr hohe Priorität. Es lässt sich nicht alles planen und absolute Sicherheit ist eine Illusion. Es kommt immer wieder vor, dass trotz aller Planung und Vorüberlegungen „Feuerwehr“ gespielt werden muss. Wenn ein Familienmitglied oder man selbst plötzlich krank wird, wäre das ein solcher Fall. Auch im Job sind viele Situationen denkbar, die nicht vorherzusehen waren und sofort geklärt/behoben werden müssen.
Trotzdem gilt, dass der Ausnahmezustand solcher „Feuerwehraufgaben“ die Ausnahme und nicht etwa die Regel sein sollte! Sonst kommt es zu Dauerstress und der Überblick geht verloren. Schließlich stolpert man von Katastrophe zu Katastrophe und es wird nur noch reagiert, anstatt strukturelle Probleme bei der Wurzel zu packen.
Nicht wichtig aber dringlich –
gibt es das überhaupt?!
Ja, das gibt es allerdings! Ein großer Teil der alltäglichen Störungen wird mit großem Nachdruck an uns herangetragen. Vieles davon ist vollkommen überflüssig und irrelevant.
Beispiele:
- Telefonmarketing-Anrufe, an denen keinerlei Interesse besteht.
- „Probleme“ von Kollegen, für die man nicht zuständig ist und die diese auch selbst lösen könnten.
- Protokoll einer Sitzung muss angefertigt werden (es ist klar, dass kein Mensch es jemals lesen wird).
- Extrem überflüssiger Small-Talk-Terror durch Nachbarn und andere Zeitgenossen.
Es gibt immer jemanden der irgendetwas von einem erwartet. Der Nutzen hält sich jedoch oft in sehr überschaubaren Grenzen. Man solle sich deshalb gut überlegen, wie man aus solchen Situationen herauskommt, ohne unnötig Zeit zu verbrennen.
Im günstigsten Fall kann man solche Zeitfresser einfach unter den Tisch fallen lassen, weil es eh niemand merkt. In den anderen Fällen dagegen sollte man die aufgewendete Zeit auf ein Minimum begrenzen. Vielleicht lässt sich manches auch delegieren.
Dringlichkeit und Wichtigkeit fehlen?
Bloß weg damit!
Mit solchen Aufgaben sollte so wenig Zeit wie nur möglich verbracht werden. Natürlich gibt es Routinen aus der Rubrik „Das haben wir schon immer so gemacht!“, aber auch hier gilt, dass es leicht möglich ist, diese zu ignorieren. In der Regel gibt es Besseres zu tun, was die Nichterledigung rechtfertigt.
Bevor es im zweiten Teil des Beitrags um die im Zeimanagement häufig empfohlene Eisenhower-Methode geht, will ich einige Empfehlungen mit auf den Weg geben, die das Leben wirklich leichter machen und Priorisierungs-Bemühungen unterstützen.
- Alle zu erledigenden Aufgaben schriftlich mit (geschätztem Zeitaufwand und Deadline) erfassen. Der Zeitpunkt, wann die Bearbeitung beginnen muss, wird mit Pufferzeiten im Kalender vermerkt.
- Zum Beginn des Tages a) in Kalender schauen = was ist zu erledigen, damit es erst gar nicht dringlich wird und b) was hat die größten (positiven) Auswirkungen?
- Direkt-Prinzip anwenden!
- Finger weg von Zeitfressern, die nichts/wenig bringen! (Perfektionismus, Online-Junk, usw.)
Eine Empfehlung von Zach Davis soll den ersten Teil des Beitrags abschließen:
„Wenn Sie Ihre Produktivität erhöhen wollen, dann stellen Sie sich viele Male am Tag Fragen wie: Wie wichtig ist diese Aufgabe? Welche Wirkung erziele ich mit dieser Tätigkeit? Welches Ergebnis soll dabei herauskommen?“
Dringlichkeit und Wichtigkeit mit
der Eisenhower-Matrix meistern?
In der Ratgeberliteratur wird gerne behauptet, dass die sogenannte Eisenhower-Matrix (auch als Eisenhower-Prinzip bezeichnet) dabei helfen würde, Aufgaben systematisch nach deren Priorität anzugehen. Aber schauen wir uns zuerst einmal den Aufbau der Matrix an.
Es gibt zwei Achsen, die jeweils den Grad von Wichtigkeit und Dringlichkeit darstellen. Es wird dabei jeweils nur in zwei Abstufungen grob unterteilt, sodass vier Sektoren entstehen, die mit A bis C bezeichnet werden. Hier gibt es übrigens eine etwas ansehnlichere Vorlage als Download.
Sektor A: wichtig und dringend
Natürlich müssen diese Aufgaben ganz oben auf der Agenda landen und sind deshalb sofort in Angriff zu nehmen. Krisen in jeglicher Form sind hier nicht selten anzutreffen.
Beispiele:
- 80 Prozent der Kollegen in der Abteilung haben sich durch Kantinenessen eine Lebensmittelvergiftung zugezogen. Man organisiert ein Notfallteam aus anderen Abteilungen um die Frist für einen wichtigen Auftrag einzuhalten.
- Ein Wasserrohrbruch hat die Wohnung unbewohnbar gemacht. Gespräche mit der Versicherung, Handwerkern und ein alternatives Dach über dem Kopf für die nächsten Wochen sind zu organisieren.
Sektor B: wichtig aber nicht dringend
Alles, was wichtig aber zeitlich noch ohne Druck zu leisten ist, gehört in diesen Bereich. Handlungen, die das Erreichen von Zielen voranbringen, zählen zu diesem Bereich – vor allem sind hier auch die langfristigen (Lebens-)Ziele zu erwähnen, da diese leicht im hektischen Tagesgeschäft untergehen.
Da die B-Aufgaben für den langfristigen Erfolg entscheidend sind, sollten man sie zeitlich unbedingt angemessen berücksichtigen! Gerade weil sie nicht dringlich sind, ist man aber oft versucht, sie auf die lange Bank zu schieben. Aber genau dieses Verhalten sorgt früher oder später für Probleme, die vermeidbar gewesen wären.
Beispiele:
- Eine Präsentation im Job bei der wichtige Vorgesetzte anwesend sind, könnte ein wichtiger Schritt für die angestrebte Beförderung sein.
- Regelmäßige Arztbesuche beugen ernsthaften Erkrankungen vor, die so früher erkannt werden.
Sektor C: dringend – aber nicht wichtig
Hier sollte man möglichst delegieren oder gleich nein sagen. Beispiele für diesen Sektor wurden bereits oben genannt. (Telefonmarketing, überflüssige Sitzungsprotokolle und Small-Talk-Terror)
Sektor D: weder dringend noch wichtig
Dass solche „Aufgaben“ am besten ignoriert werden, beziehungsweise direkt in den Müll wandern sollten, ist eigentlich auch so klar.
Beispiele:
- Werbung
- E-Mail-Bullshit (lustige Videos, Kettenmails)
Kritik:
Benutzt wirklich jemand dieses Teil?
Ich gebe es zu: Die Eisenhower-Methode überzeugt mich nicht wirklich. Das hat nichts damit zu tun, dass in keinerlei Weise belegt ist, dass der General und spätere Präsident Dwight D. Eisenhower auch nur das Geringste mit der Methode zu tun hatte. Ein paar andere Aspekte stören mich deutlich mehr.
Sie ist sehr grob strukturiert und wird alleine durch ihre Form schnell unübersichtlich. Der Beitrag zeigte zudem, dass die scharfe Abgrenzung zwischen dringlich und wichtig (wie sie beim Eisenhower-Prinzip vorgenommen werden soll) nicht unproblematisch ist. Nur wer sich zuerst mit seinen Zielen intensiv auseinandersetzt, ist überhaupt dazu in der Lage sein, Wichtigkeit zu erkennen.
Für die konkrete Arbeit an den anfallenden Aufgaben bringt die Matrix ebenfalls herzlich wenig. Sie erscheint mir zu abstrakt und statisch. Im Kreativbereich und besonders wenn im Team gearbeitet wird, ist die Methode vermutlich zu starr und dient weder der Komplexität noch der Dynamik des Arbeitsfelds.
Was bietet sie überhaupt an zusätzlichem Nutzen, den mir nicht auch eine erweiterte To-do-Liste bringt? Wenn ich in einer solchen Liste Fristen und geschätzten Arbeitsaufwand eintrage, habe ich konkrete Infos, was meine Terminplanung angeht. Konkreter und besser zu nutzen, als mit einer Darstellung, die zwar dekorativ aber nur begrenzt hilfreich ist mit ihren beiden Dimensionen Dringlichkeit und Wichtigkeit.
Fazit:
Der Methode trotzdem eine Chance geben!
Natürlich sollte man der Methode trotzdem eine Chance geben. Die richtige Methode ist die, die individuell funktioniert. Und nicht zuletzt ist es auch Geschmackssache, wie die grafische Umsetzung aussieht. Eine Stärke der Methode könnte zum Beispiel darin liegen, dass bestimmte Defizite offensichtlich zutage treten.
Jemand der chronisch aufschiebt und dessen A-Sektor deshalb aus allen Nähten platzt, kann so deutlich erkennen, dass die permanenten „Feuerwehreinsätze“ (Dringlichkeit und Wichtigkeit fallen oft zusammen) zu großen Teilen selbst verschuldet sind. Im Laufe der Zeit sollte die Methode dabei helfen, denn A-Sektor aufzuräumen und so mehr Zeit für den wichtigen B-Sektor zu gewinnen. Auch findet eine Sensibilisierung für vollkommen überflüssige „Zeitfresser“ statt.
Generell ist es unbedingt zu empfehlen, die beiden Kategorien Dringlichkeit und Wichtigkeit nie aus den Augen zu verlieren. Dringlichkeit ist dabei mit den richtigen Methoden (Stichwort: Planung) recht leicht in den Griff zu bekommen. Für die Frage nach der Wichtigkeit – ein subjektiver und oft kaum quantifizierbarer Begriff – sieht die Sache schon komplizierter aus.
Ziele und Werte müssen immer wieder neu bestimmt und hinterfragt werden. Die Fähigkeit gut zu priorisieren ist somit letztendlich ein lebenslanger Lernprozess.