Gutes Zeitmanagement steht und fällt mit der Fähigkeit, Prioritäten setzen zu können. Kein Wunder, schließlich ist immer mehr zu tun, als die knappe Zeit tatsächlich zulässt. Nur wer das Wichtige vom Unwichtigen trennt, wird Aufgaben produktiv meistern. Aber bevor man Prioritäten setzen kann, muss man sie sich erst einmal klar machen. Der Beitrag zeigt, wie Werte und Ziele dabei helfen können.
Inhalt
Prioritäten – oder was?
Dass man Prioritäten setzen sollte, steht außer Frage. Aber ohne den Begriff mit Inhalt zu füllen, bringt er weder Klarheit noch Hilfe für einen klugen Umgang mit knapper Zeit. Zuerst wird deshalb gezeigt, warum Priorisieren an Bedeutung gewinnt und was unter dem Begriff genau zu verstehen ist. Danach geht es um die Rolle von Werten und Zielen.
Prioritäten setzen: wichtiger denn je!
Eine Reihe von Entwicklungen sorgt dafür, dass es immer wichtiger wird, Prioritäten setzen zu können. Die Menge an Informationen und die Geschwindigkeit, mit der wir kommunizieren, nehmen ständig zu. Gleiches gilt für Wahlmöglichkeiten und Entscheidungen, die jeder Einzelne in Job und Privatleben zu treffen hat.
Die verschiedenen Rollen, die man im Leben ausfüllt, stehen nicht selten in Konkurrenz zueinander. Ob als Mitarbeiter oder Vorgesetzter; als Partner, Elternteil oder Freund – jede Rolle will aktiv gelebt sein. Diese Herausforderungen kann nur der meistern, der das Wichtige vom Unwichtigen trennt. Und genau darum geht es beim Priorisieren.
Was bedeutet Priorisieren?
Priorisieren bedeutet, das Wichtige zuerst zu tun. Zweifelsohne eine vernünftige Vorgehensweise, wenn die Zeit begrenzt ist, die Aufgaben aber immer umfangreicher werden. Das Problem bei der Sache liegt darin, dass nicht immer Klarheit darüber besteht, was überhaupt wichtig ist. Es braucht eine Reihe von gedanklichen Vorarbeiten, um vernünftige Prioritäten zu setzen. Schauen wir uns aber zuerst zwei Arten von Prioritäten an, die sich hinsichtlich ihres zeitlichen Horizonts unterscheiden.
Grundlegende Prioritäten (strategische Prioritäten)
Die grundlegenden Prioritäten beziehen sich auf langfristige Ziele und vor allem Werte. Ob der beruflichen Karriere oder eher der Familie das Hauptaugenmerk gilt, sind typische Entscheidungen, die in den Bereich der grundlegenden Prioritäten fallen. Sie geben Orientierung für generelles Handeln und die langfristigen Entscheidungen der Zukunft.
Tagtägliche Prioritäten (operative Prioritäten)
Hier wird es konkret. Wie entscheidet man sich in der speziellen Alltagssituation? Was tue ich als Nächstes? Mit welchen Aufgaben ist der heutige Tag ausgefüllt? Für diese Entscheidungen können zum Beispiel eine To-do-Liste und Eisenhower-Matrix zum Einsatz kommen.
Werte und Ziele – Basis des Prioritätenkompasses
Solange man sich nicht bewusst gemacht hat, was wirklich wichtig ist, können auch keine vernünftigen Prioritäten gesetzt werden. Noch bevor der Blick auf die täglichen Aufgaben fällt, sollte man sich mit den persönlichen Werten und Zielen auseinandersetzen. Es ist nicht möglich, zwischen den beiden Begriffen eine absolute Trennlinie zu ziehen – ein Wert kann schließlich auch ein Ziel sein und umgekehrt. Beide liefern Anhaltspunkte, aus denen sich Prioritäten ableiten lassen.
Werte: Basis der grundlegenden Prioritäten
Werte bestimmen, was uns wertvoll und somit erstrebenswert erscheint. Zwar gibt es Werte, die von der Gesellschaft insgesamt oder wenigstens bestimmten Gruppen als positiv angesehen werden. Das ist aber nicht generell der Fall. Besonders in den modernen westlichen Gesellschaften haben Instanzen, die früher verbindlich definierten, was wertvoll ist, massiv an Bedeutung verloren. Am schwindenden Einfluss der Kirchen lässt sich das deutlich erkennen: Familie, Ehe und Moral muss heute jeder mehr oder weniger für sich alleine definieren. Werte sind zunehmend individuell und subjektiv geworden.
Was für die persönliche Freiheit und Lebensgestaltung als durchaus positiv zu sehen ist, hat aber auch eine problematische Seite. Die Empfehlung, anhand eigener Werte Prioritäten abzuleiten, ist leichter gesagt als getan. Nochmals zur Erinnerung: Das Wertegerüst in den modernen industrialisierten Nationen ist von einer gewissen Auflösung und Beliebigkeit gekennzeichnet. Wer sich auf seine (oft unklaren) Werte verlassen will, ist danach eventuell genau so schlau wie zuvor.
Trotz allem können Werte nützlich sein, um Prioritäten zu bestimmen. Wenn es darum geht, langfristige Ziele zu verfolgen, kommen grundlegende Prioritäten zum Zug. Und besonders in diesem Bereich leisten Werte – auch wenn sie nicht allzu konkret sind – einen wichtigen Beitrag.
Ein Beispiel. Wem die Familie besonders am Herzen liegt (=Wert), wird seine grundlegenden Prioritäten auf diesen Bereich ausrichten. Vielleicht wird so die Wahl des Wohnorts oder die Anschaffung einer Immobilie beeinflusst – Entscheidungen mit einem längeren Planungshorizont, die grundlegende Weichenstellungen beeinflussen und auch notwendig machen.
Generell ist es ein lebenslanges Projekt, das jeweils individuelle Wertesystem zu entwickeln und in sich – so weit es möglich ist – widerspruchsfrei zu gestalten. Um es zu betonen: Werte sind nicht falsch oder richtig – entscheidend ist, dass sie nicht in Widerspruch zueinander stehen! Sonst kommt es unweigerlich zu widersprüchlichen Zielen. Das Setzen von Prioritäten wird behindert statt unterstützt.
Ziele: Basis der operativen Prioritäten
Prioritäten setzen bedeutet – wie bereits gesagt – das Wichtigste zuerst. Anders formuliert: Es sind Entscheidungen zu treffen. Hat man aber keine klaren Ziele, ist das kaum möglich. Je genauer man sich seine Ziele bewusst macht, desto besser kann man sein Handeln darauf ausrichten, sie zu erreichen.
Letztendlich wird es durch die exakte Definition eines Ziels überhaupt erst möglich zu erkennen, ob man es zu 100 Prozent erreicht hat. Schauen wir uns an einem Beispiel an, was exakte Definition für die operativen Ziele bedeutet.
Abnehmen für die Gesundheit: Prolog
Eines Morgens, beim Blick in den Badezimmerspiegel, stellt man mit großer Überraschung fest, dass man offensichtlich über Nacht fett geworden ist. Nachdem sich der erste Schreck gelegt hat, muss man sich eingestehen, dass die Waage schon seit Jahren nur eine Richtung kennt: Richtung Adipositas.
Noch auf dem Weg zum Frühstück trifft man die Entscheidung, abnehmen zu wollen. In den folgenden Tagen verzichtete man hier und da auf einen Schokoriegel, um nach einer Woche festzustellen, dass man nicht leichter geworden ist. Wie kann man die Sache etwas schlauer angehen?
Abnehmen für die Gesundheit: ein realistisches Ziel definieren
Eine Erfolg versprechende Definition des, doch sehr vagen, Ziels „ich will abnehmen“ sieht so aus:
- Ein Blick auf den BMI als grobe Orientierung zeigt, dass 15 Kilogramm Übergewicht am Körper kleben.
- Ein Kilogramm Fett hat ca. 7000 Kilokalorien (Kcal) Energie.
- Mit einem Kalorienrechner kommt man zu dem Ergebnis, dass rund 1000 Kcal Defizit zum Tagesbedarf alleine durch ordentlich geplante Ernährung machbar sind. Dazu ermittelt und notiert man die täglich aufgenommenen Kalorien.
- Fazit: Ein Kilogramm Gewichtsverlust pro Woche – anspruchsvoll aber machbar.
- Ein Problem wird gerne übersehen: Wer leichter wird, braucht auch weniger Energie. Um diesen Effekt zu kompensieren, wird mindestens 3x pro Woche in einem Fitness-Studio trainiert. Bewegung und aufgebaute Muskeln helfen, den Zeitrahmen einzuhalten.
- Theoretisch sollte das Zielgewicht nach 15 Wochen erreicht sein. Eine Woche wird als Zeitpuffer noch dazu gegeben.
Alle Aspekte der Zieldefinition werden schriftlich erfasst! In 16 Wochen kann die Antwort, ob das Ziel erreicht wurde, nur ja oder nein lauten. Es ist kein Platz für Ausreden!
Natürlich sind noch diverse Aspekte abzuklären. Der Teufel steckt nun mal im Detail. Bestehen vielleicht Zielkonflikte? Wenn noch andere zeit- und energieintensive Projekte auf der Agenda stehen, ist das Abnehm-Ziel vielleicht zu hoch gesteckt. Ist man beruflich massiv eingespannt und arbeitet auf eine Beförderung hin, reicht die Energie für beide Projekte vermutlich nicht aus. Es muss in solchen Fällen klar sein, was wirklich Priorität hat. Und nach all diesen Ausführungen schauen wir uns die Auswirkungen auf den Alltag an.
Abnehmen für mehr Gesundheit: Priorisierung im Alltag
Die genauen Vorgaben führen zu einer Reihe veränderter Prioritäten.
- An drei Abenden in der Woche steht nach der Arbeit Sport auf dem Programm. Die Sporttasche ist bereits gepackt im Auto. Fernsehen und Internetsurfen werden an diesen Tagen gestrichen. Die Sportabende sind verbindlich – wenn es gar nicht anders geht, werden sie um maximal einen Tag verschoben.
- Die Ernährung ist geplant. Bestimmte Ernährungs-Unsitten sind tabu (Zucker, Fast Food usw.). Die Kommentare aus dem sozialen Umfeld muss man ebenfalls ertragen 😉 An einem Tag der Woche darf man sich dann etwas gönnen – was dann aber nicht zu einem Fress-Exzess ausarten sollte.
- Alle Erledigungen, für die es eine Alternative zum Auto oder den öffentlichen Verkehrsmitteln gibt, sollen zu Fuß oder per Rad gemacht werden. Eigene Muskelkraft hat Priorität!
Nur wer zuvor wohlüberlegt sein Ziel definiert hat, kann daraus die konkreten Handlungen, die täglich durchzuführen sind, ableiten.15 Und was für die Zielerreichung notwendig ist, genießt entsprechend hohe Priorität.
Fazit:
Ziele und Werte als Grundlage für gelungenes Priorisieren!
Um zu erkennen, was wichtig ist, muss man sich das zuerst bewusst machen. Werte und Ziele bilden dafür die Basis. Generell erscheint es mir praktikabler zu sein, von den Zielen auszugehen. Ziele sind – wenn man sie konkret formuliert – deutlich leichter in die Handlungen zu übertragen, durch die das Ziel dann erreicht wird. Hier die Mindestanforderungen an eine Zielformulierung:
- Ziel konkret formulieren: messbare Kriterien nennen (zum Beispiel 10 Kg abnehmen, 3x jeweils eine Stunde Sport pro Woche machen)
- Zeitraum bestimmen: Wann beginne ich damit, auf das Ziel hinzuarbeiten? Wann soll das Ziel erreicht sein?
- Das Ziel wird immer schriftlich fixiert!
Werte gewinnen im Lauf des Lebens idealerweise mehr Gewicht. Und auch wenn sich aus ihnen nicht so intuitiv wie aus den Zielen Prioritäten ableiten lassen, stellen sie trotzdem ein interessantes Kontrollinstrument dar. Unter Umständen sind unsere Ziele nicht das, was wir wirklich wollen.
Gerade wenn es um Konsum und gesellschaftliche Erwartungen an uns geht, besteht die Gefahr, dass die verfolgten Ziele nicht glücklich machen. Besonders vor langfristigen Zielen, die viel Zeit und Energie kosten, sollte man sich immer wieder einmal fragen: „Ist es das wirklich wert?“