
Bald ist es wieder so weit: Zeit für gute Vorsätze!
Gute Vorsätze zum neuen Jahr sind eine gleichermaßen geliebte wie verhasste Tradition. Geliebt, weil es sich einfach gut anfühlt, das Leben in die Hand zu nehmen. Gehasst, weil sie mit schöner Regelmäßigkeit scheitern. Ich finde, es ist an der Zeit, das Format neu zu denken. Wie wäre es zur Abwechslung mit guten Vorsätzen zum Jahresende?
Inhalt
Alle Jahre wieder:
gute Vorsätze für ein gutes Gefühl
Woher kommt es, dass zum Jahreswechsel gute Vorsätze Konjunktur haben? Sollte sich nicht inzwischen herumgesprochen haben, dass die Erfolgsaussichten dieses Rituals recht überschaubar sind? Zudem ist es doch so, dass das Jahr 365 Gelegenheiten bietet, um Dinge zu ändern oder doch wenigstens ein klein wenig besser zu machen. Schauen wir uns die Mechanismen an, die dafür sorgen, dass gute Vorsätze gerade zum Jahresende Suchtpotenzial entwickeln.
Gute Vorsätze fühlen sich gut an
Die Tage „zwischen den Jahren“ sind ohne Zweifel zeitliches Niemandsland. Eingepfercht zwischen einem kulturell aufgeladenen und von Konsum-Rausch geprägten Weihnachten und dem Silvester-Fondue-Exzess.
Was soll man mit dieser Zeit auch anderes anfangen, als den Blick in Retrospektive verklärt auf die vergangenen zwölf Monate zu richten? Was war gut, was war weniger gelungen? Wie erfolgreich hat man sich durch die Tage, Wochen und Monate geschlagen?

Weihnachten und Silvester: Nach dem Sekt ist vor dem Sekt.
Untermalt werden diese Gedanken von einem medialen Hintergrundrauschen: Die sanft-heuchlerische Besinnlichkeits-Dünung der Weihnachtszeit wird von einer Flut aus Jahresrückblick-Formaten abgelöst.
Was wird das neue Jahr bringen?
Natürlich stellt sich unter solchen Rahmenbedingungen fast automatisch die Frage, was das neue Jahr wohl bringen mag. Immer, wenn wir unseren Blick auf die Zukunft richten, machen sich zwiespältige Gefühle bemerkbar. Das Meiste von dem, was das neue Jahr auftischen wird, liegt im Dunkeln.
Der Ungewissheit, die in diesem Dunkel lauert, tritt man mit Plänen und guten Vorsätzen entgegen. Niemand möchte in den kommenden zwölf Monaten schlechte Neuigkeiten vom Arzt bekommen. Oder den Job verlieren. Aber alles ist möglich und man kann durchaus den Hauptgewinn in der Negativ-Lotterie ziehen.
Gute Vorsätze gegen Angst und Ungewissheit
In Anbetracht solcher Grübeleien gewinnen gute Vorsätze besonders an Attraktivität. Das ganze Jahr über hat man sich kaum Gedanken um Gesundheit, Ernährung und Sozialverhalten gemacht. Zum Jahresende kommt – zusammen mit der „Besinnlichkeit“ – das schlechte Gewissen hoch.
Man fasst den Entschluss, sich zu bessern. Nicht nur ein wenig. Ab dem ersten Januar platzt der Knoten; das neue Ich 2.0 wird alles von Grund auf besser machen. Alle Ziele und Absichten, an denen man bisher gescheitert ist, werden dann wie von Zauberhand realisiert. Man wird die Kontrolle übernehmen, ganz klar.
Gründe des Scheiterns
Der grundlegende Mechanismus dürfte klar geworden sein. Der Jahreswechsel macht den stetigen Fluss der Zeit bewusst. Wieder ist ein Jahr vergangen, unsere Lebenszeit ist endlich. Das neue Jahr liegt noch im Dunkeln. Mit guten Vorsätzen versuchen wir die ungewisse, nicht selten Angst einflößende, Zukunft in unserer Vorstellung zu kontrollieren. Dabei gilt: Je größer das Ziel, desto größer die Hoffnung.
So gut sich diese Gedanken um ein erfolgreiches zukünftiges Ich anfühlen, so wenig Erfolg versprechend erweisen sie sich in der Realität. Meist werden vollkommen unrealistische Vorsätze gefasst, die viel zu ambitioniert sind. Hinzu kommen noch einige weitere typische „handwerkliche“ Fehler:
- Es sollen mehrere Ziele gleichzeitig erreicht werden.
- Es handelt sich um Ziele, an denen man bereits in der Vergangenheit gescheitert ist.
- Bereits die Formulierung „ich sollte“ zeigt, dass die Vorsätze wenig attraktiv sind.
- Planung bzw. Vorbereitung sind mangelhaft oder überhaupt nicht vorhanden.
- Die Vorsätze sind vollkommen unrealistisch.
Zudem ist das Jahr lang und bietet deshalb reichlich Gelegenheiten zum erneuten Aufschieben der guten Vorsätze. Es dürfte kaum noch Raucher und Übergewichtige geben, wenn das Modell „ich-werde-im-neuen-Jahr-gesund-leben“ auch nur ansatzweise funktionieren würde.
Das einzige, was die unrealistischen Vorsätze bringen, ist ein gutes Gefühl – ganz ohne irgendetwas getan zu haben. Die Wissenschaft kennt diesen Mechanismus unter der Bezeichnung „Falsche-Hoffnung-Syndrom“. Nahezu immer endet die Hoffnung in Enttäuschung und der Zyklus beginnt von vorn.
So weit, so deprimierend. Es stellt sich die Frage, was man tun kann. Es ist ja an sich keine schlechte Sache, Dinge besser machen zu wollen. Und die Klassiker aus dem Bücherregal der guten Vorsätze wie gute Ernährung und Sport bzw. Finger weg von Kippen und Alkohol, sind über alle Zweifel erhaben. Wie könnte also eine Erfolg versprechende Strategie aussehen?
Gute Vorsätze fürs alte Jahr
Zugegeben. Symbole haben einen nicht zu unterschätzenden Charme. Der Jahreswechsel ist ein gutes Beispiel dafür, wird er doch mit einem Neustart assoziiert. Das alte Jahr ist Geschichte und mit ihm auch all die mehr oder weniger erfreulichen Ereignisse. Schwamm drüber! Auf ein Neues in 20xx!

Besser nicht bis eine Minute vor zwölf warten!
Ich möchte die weitverbreitete Begeisterung für Symbolik nicht abwerten. Es ist gut, wenn man aus einem neuen Zeitabschnitt Motivation für die eigenen Ziele schöpfen kann. Und der Jahreswechsel eignet sich dafür zweifelsohne. Aber wie ich bereits erläutert habe, wird dieser Effekt maßlos überstrapaziert. Die schlechte Erfolgsquote der guten Vorsätze belegt das immer wieder aufs Neue.
Schon vor dem Jahreswechsel den Grundstein für Veränderungen legen
Mit nikotinverseuchtem Neujahrskater gute Vorsätze zu fabulieren ist durchaus amüsant, aber man sollte diese Zeit besser dazu nutzen, dem Nachwuchs aus Märchenbüchern vorzulesen. Das macht jedenfalls deutlich mehr Sinn, als sich selbst mit Gute-Vorsätze-Märchen zu betäuben. Vernünftiger ist es, den Grundstein für alle Maßnahmen, die das eigene Handeln verändern sollen, schon im alten Jahr zu legen. Zudem hat es eine ungemein motivierende Wirkung, die restliche Zeit des Jahres zu nutzen. Ideal, wenn man den 31.12. als Termin für ein erstes Zwischenziel nutzt! Folgende Punkte machen den Unterschied zwischen schwammigen Vorsätzen und erfolgreichen Verhaltensänderungen aus:
Vorsätze sind Ziele
Vorsätze sind schön und gut. Vor allem sind sie sehr emotionale Konstrukte von dem, was wir uns (scheinbar) wünschen. Holen wir die Träumereine auf den Boden der Sachebene zurück. Um die Chancen für erfolgreiche Umsetzung zu erhöhen, sind Vorsätze wie Ziele zu behandeln. Konkret: wie SMARTe Ziele! Nur so hat man die nötige Klarheit und Struktur um geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Am besten gleich hier weiterlesen 😉
Nur ein Vorsatz
Besser eine Sache richtig machen und Erfolg haben, als bei einem ganzen Bündel von Zielen zu scheitern. Willenskraft ist ein knappes Gut; es funktioniert nicht, zu viele neue Projekte gleichzeitig zu verfolgen. Besser ist es, nur ein Ziel intensiv zu verfolgen. Dabei sollte gut überlegt werden, um was es sich handelt. Ideal wäre ein neues Hobby, das auf andere Lebensbereiche ausstrahlt. Ausdauersport ist dafür ein gutes Beispiel.
Sofort anfangen
Vielleicht der wichtigste Punkt. Es muss möglich sein, innerhalb der nächsten 24 Stunden für das angestrebte Ziel aktiv zu werden. Wer abnehmen will, kann das Essen für die nächsten Tage planen und die Lebensmittel einkaufen. Wer sich mehr bewegen will, macht sich einen Plan und fängt sofort an. Womit wir schon bei dem nächsten Punkt wären.
Es braucht immer einen Plan
Klarheit ist eine zentrale Voraussetzung um Ziele zu erreichen. Egal, um welchen guten Vorsatz es geht: Der Weg zum Ziel will geplant sein. Es braucht zuerst einen Grundstock an Informationen. Aus diesen leiten sich Handlungen ab, die in einem zeitlichen Rahmen untergebracht werden. Wer mehr Zeit für sich oder die Familie anstrebt, muss zuerst eine Bestandsaufnahme machen, wofür bisher die meiste Zeit verwendet wurde. Wer nicht mehr rauchen will, muss sich mit den Mechanismen des Suchtverhaltens auseinandersetzen und sich über Erfolg versprechende Wege zum Nichtraucher informieren.
Keine „falschen“ Belohnungen
Wer erkennt sich hier wieder: Nachdem man sich zum Sport aufgerafft hat, fühlt man sich wirklich gut. Der innere Schweinehund wurde schließlich überwunden. Zur Belohnung gibt es einen Döner und eine ordentliche Portion Eis. Am Ende des Monats zeigt die Waage drei Kilo mehr an, als zu Beginn – trotz Sport! Hier handelt es sich um ein typisches Beispiel für die Belohnungs-Falle. Es ist ein weitverbreiteter Reflex, gutes Verhalten als Alibi für den sich anschließenden Kontrollverlust zu verwenden. Deshalb sollten Belohnungen immer eine unterstützende und nicht selbstsabotierende Wirkung haben.
Unterstützung durch andere
Der letzte Punkt ist ebenfalls ein Klassiker und zudem wissenschaftlich belegt. Wenn die Motivation im Keller ist, können die lieben Mitmenschen die letzte Bastion gegen den Kontrollverlust darstellen. Vorausgesetzt, man hat sie zuvor über die persönlichen Ziele eingeweiht. Wer von seinen Abnehmbemühungen erzählt, kann nicht mehr ohne Weiteres vor Zeugen Süßkram in sich stopfen. Wer mit einem Freund zu festen Zeiten joggen geht, kann sich nicht mehr so leicht drücken. Ein gewisses Maß an externer Kontrolle ist wirklich hilfreich.
Fazit:
Nicht bis zum Jahreswechsel warten!
Schluss mit den Schuldgefühlen und daraus resultierenden guten Vorsätzen, die eh nur kurzfristig ein gutes Gefühl erzeugen. Nach diesem – wieder einmal viel zu langen – Beitrag sollte man sich gleich noch etwas Zeit und ein Blatt Papier nehmen. Die Frage lautet: „Was ist für mich der attraktivste gute Vorsatz fürs alte Jahr?“
Die Antwort kann aus einem Wort oder vielleicht einem kurzen Satz bestehen. Und dann wird, mit Hilfe der genannten Tipps, ein konkreter und vor allem realistischer Plan erstellt. Selbst wenn es vom Vorsatz bis zum Jahreswechsel nur eine Woche war, so hat man doch den ersten Schritt getan, um ein wenig hilfreiches Ritual gegen klug geplante Verhaltensänderung zu tauschen.