
Ambitionierte Pläne plus zu viel Optimismus = Zeitfalle!
Pläne sind eine tolle Sache. Vor allem wenn sie funktionieren. Leider klafft oft eine erhebliche Lücke zwischen unseren Plänen und dem, was dann tatsächlich eintritt. Deadlines werden genauso wie Budgets überschritten. In solchen Fällen ist man nicht selten in die sogenannte Planungsfalle getappt. Was man genau darunter versteht und wie man es schafft, besser zu planen, verrät der Beitrag.
Inhalt
Planen: eine ganz besondere menschliche Fähigkeit
Wer sich ein Ziel gesetzt hat, tut gut daran zu planen. Planung bedeutet, dass die einzelnen Schritte, die zur Erreichung eines Ziels gemacht werden müssen, im Geist vorweggenommen werden. Ein Alleinstellungsmerkmal des Menschen und zudem ein Kriterium für Rationalität und Intelligenz. Planung soll vor allem Klarheit und Handlungssicherheit schaffen:
- Welche Mittel benötige ich, um ein Ziel zu erreichen?
- Wie setze ich diese Mittel vernünftig ein?
- Wie sieht die zeitliche Abfolge der notwendigen Handlungen aus?
Wenn Planung ihren Zweck verfehlt
Allerdings bedeutet das Vorhandensein von Planung nicht automatisch, dass es sich um gute, d. h. zielführende Planung handelt. Zwischen der planerischen Theorie und der tatsächlich eingetretenen Realität klaffen oft erhebliche Lücken. Auch Profis sind vor solchen Fehlleistungen nicht gefeit – man denke hierbei nur an Großprojekte wie etwa die Elbphilharmonie oder den Flughafen Berlin Brandenburg. Kosten- und Zeitrahmen wurden in beiden Fällen massiv überschritten.
Unzulängliche Planung bei Großprojekten:
Beispiel Sydney Opera House

Schick aber teuer: Sydney Opera House
Um eine Lanze für die deutschen Planungs-Fähigkeiten zu brechen, möchte ich kurz auf die Planung des Sydney Opera House eingehen. 1957 ging man noch davon aus, dass die Arbeiten bis 1963 abgeschlossen wären. Die Kosten sollten im Bereich von etwa sieben Millionen Dollar liegen.
Letztendlich war das Projekt erst 1973 fertiggestellt und kostete 102 Millionen Dollar. In Anbetracht dieser Entwicklung erscheint die Elbphilharmonie (etwa 3,5 Mal so teuer wie ursprünglich veranschlagt) fast wie eine planerische Meisterleistung bzw. Schnäppchen.
Planungsfalle im kleinen:
Die eigenen Projekte
Allerdings braucht es keine ultrakomplexen Großprojekte, um mit Planungsbemühungen daneben zu liegen. Schauen wir uns, ganz banal, ein typisches Alltagsbeispiel an: das Aufräumen des Arbeitszimmers. Man plant die notwendigen Schritte, die zum gewünschten Ziel führen sollen: ein sauberes, aufgeräumt-entmülltes Arbeitsparadies.
Natürlich macht es hier wenig Sinn, mit einer Planungssoftware oder einem Quantenrechner an die Aufgabe heranzugehen. Als aufrecht gehender und vernunftbegabter Mensch können wir unsere grauen Zellen mit einem Entwurf der nahen Zukunft beauftragen. Das könnte dann etwa so aussehen:
- Kiste für Papiermüll und Putzzeug bereitstellen (5 Minuten)
- Ablagefächer und Zeitschriftenstapel entmüllen (20 Minuten)
- Schreibtischschubladen aufräumen (20 Minuten)
- Tisch und Regale abstauben (5 Minuten)
- Boden putzen (10 Minuten)
- Pufferzeit (15 Minuten)
So sollte es sein: schön aufgeräumt
Kurz die einzelnen Schritte zeitlich überschlagen und fertig ist die Ad-hoc-Planung. In einer guten Stunde sollte die Aktion demnach gelaufen sein. Wirklich? Nein, natürlich nicht!
Wie es in der Praxis wirklich abläuft
Das Putzzeug ist schnell geholt, für die Unmenge an Papierabfall muss allerdings erst eine geeignete Kiste aus der Garage geholt und vorher noch geleert werden. Immerhin ist man noch gut in der Zeit. Beim Zeitschriftenstapel entdeckt man dann plötzlich ein PC-Magazin, das bereits auf der Titelseite marktschreierisch für seine extrem informativen Testberichte wirbt.
Natürlich muss man einen kurzen Blick riskieren. Vielleicht sind ja wirklich interessante Informationen drin. Das Ganze führt dazu, dass man nahezu die Hälfte der gestapelten Magazine und Broschüren nochmals mit einer gewissen unterschwelligen Hektik durchblättert.
Schließlich hat man drei Stapel gebildet: wegwerfen, aufheben, vielleicht aufheben/wegwerfen. Nach einer Dreiviertelstunde hat die Unordnung im Arbeitszimmer eher zu- als abgenommen. Von einem dünnen Schweißfilm benetzt fängt die Stirn zu glänzen an, während Blutdruck und Genervtheit langsam zunehmen. Als noch ein unerwarteter Anruf der Schwiegermutter dazu kommt, ist klar, dass die gesamte Aktion vermutlich mehr als das Doppelte der ursprünglich geplanten Zeit in Anspruch nehmen wird.
Dieses Beispiel ist weniger spektakulär als die bereits erwähnten Großprojekte. Auch entstehen keine Mehrkosten. Trotzdem kann es stellvertretend für einen typischen Planungs-Mangel stehen: falschen Optimismus.
Zu optimistische Einschätzung führt direkt in die Planungsfalle!
Mit schöner Regelmäßigkeit wird der Zeitaufwand unterschätzt, der zum Erreichen eines Ziels notwendig ist. Diese Fehleinschätzung ist bei Topmanagern genauso wie Studenten – kurz gesagt: bei nahezu jedem – anzutreffen. Vor allem, wenn es um die eigene Arbeit geht, tendiert man zu maßloser Selbstüberschätzung. Warum ist das so?
Die Probleme beginnen bereits damit, dass Planung Aussagen über zukünftige Handlungen und Entwicklungen treffen will beziehungsweise muss. Eigentlich der Job von Kartenlegern und Wahrsagern mit Kristallkugeln.
Tatsächlich versucht Planung einen gangbaren Weg zum angestrebten Ziel zu beschreiben, ohne alle Variablen zu kennen. Um das leisten zu können, müssen beachtliche kognitive Leistungen erbracht werden. Zusätzlich braucht es ein möglichst hohes Maß an Kompetenz und Erfahrung.
„Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert!“
George Peppard als Colonel John „Hannibal“ Smith
Viele Menschen tendieren dazu, für ihre Pläne einen mehr oder weniger idealen Verlauf anzunehmen. Dabei sind unzählige Ereignisse denkbar, die Probleme bereiten können: ein defekter Computer oder eine Erkrankung. Von der ganzen Vielfalt an Störungen, die von außen kommen und vor denen man sich nie ganz abschirmen kann ganz zu schweigen. Studenten schätzten in einer Studie den Zeitaufwand bis zur Fertigstellung ihrer Hausarbeit mit 34 Tagen ein. Tatsächlich benötigten sie im Schnitt 56 Tage!
Menschen neigen dazu, durch ihre optimistische Einschätzung negative Ereignisse und Verhaltensmuster auszublenden. Zwar werden die einzelnen Schritte auf dem Weg zum Ziel definiert. Aspekte wie unvorsehbare Ereignisse und nicht zuletzt die eigene Charakterschwäche (Netflix!) werden vernachlässigt. Man kann deshalb feststellen: Jeder, der in die Planungsfalle tappt, hat sie zuvor selbst aufgestellt.
Aufschieber: typische Opfer der Planungsfalle!
Besonders chronische Aufschieber tendieren dazu, einen schon als irrational zu bezeichnenden Optimismus bei ihrer Projektplanung an den Tag zu legen. Dieses Verhalten ist aber nur auf den ersten Blick widersinnig. Zwar ist es erstaunlich, wie es solchen Zeitgenossen gelingt, ihre bisherigen Fehlplanungen zu verdrängen.
Wer prokrastiniert, tut dies nicht erst seit heute oder gestern! In der Regel gibt es bereits eine jahre- oder lebenslange Tradition des Aufschiebens. Und natürlich alle Begleiterscheinungen wie Stress, durchgearbeitete Nächte und suboptimale Ergebnisse.
Trotzdem hält sich falscher Optimismus gerade bei diesen Menschen besonders hartnäckig, da sie so immer weiter aufschieben können. Es wird schon gut gehen bzw. unter Druck macht man Diamanten. Es ist leider besonders einfach, sich selbst etwas vorzumachen. Und plötzlich muss eine erst halb fertige Abschlussarbeit an einem Wochenende fertiggestellt werden.
Typische Problembereiche oder Herausforderungen sind:
- Planung kann die komplexe Realität niemals vollständig erfassen. Sie hat immer einen vereinfachenden Modellcharakter. Somit besteht auch immer die Gefahr, dass zu stark vereinfacht wird oder aus Unkenntnis wichtige Aspekte vernachlässigt werden. Eine in der Theorie wunderbar funktionierende Planung kann deshalb leicht an der Komplexität der Praxis scheitern.
- Fehlen detaillierte Kenntnisse zu den einzelnen Planungsschritten und zugehörigen Teilbereichen, ist eine halbwegs zuverlässige Planung kaum möglich.
- Aussagen über die Zukunft sind immer mit Unsicherheit belastet. Wer kann schon sagen, was alles passieren wird? Von Naturkatastrophen bis Schwiegermütter-Anrufen…
Wie man die Planungsfalle vermeidet

Vermeidbare Falle
Wie gezeigt wurde, ist jeder Planungsprozess eine komplexe Angelegenheit. Zwei Ursachen sind dabei besonders hervorzuheben: Zum einen sind Einschätzungen, die die Zukunft betreffen, immer mit mehr oder weniger ausgeprägter Unsicherheit belastet.
Zum anderen tendieren Menschen dazu, übertriebenen Optimismus bei ihren Planungen an den Tag zu legen. Die folgenden Empfehlungen sollen dabei helfen, realistischer zu planen.
- Potenzielle Probleme bewusst machen
Welche Probleme können bei den einzelnen Planungsphasen auftreten? Welche Gegenmaßnahmen könnten dann eingeleitet werden? Wie groß könnte der zusätzliche Zeit-/Kostenaufwand ausfallen? - Auf bereits vorhandene Erfahrungswerte zurückgreifen
Hat man bereits ähnliche Projekte in der Vergangenheit bearbeitet? Wurden bereits früher Projekte nur unter massivem (selbst verschuldetem) Zeitdruck abgeschlossen? Wie hätte man planen müssen, um solche Probleme zu vermeiden? Welche Verhaltensmuster führten evtl. zur Selbstsabotage? - Expertenwissen nutzen
Geht man ein umfangreiches Projekt zum ersten Mal an, ist angemessene Planung auf Vorarbeiten angewiesen. Es braucht somit Know-how. Nicht immer kann dies in ausreichendem Umfang im Eigenstudium erworben werden. Dann braucht es Experten, die dem Planungsmodell die nötige Substanz verleihen. - Freunde/Kollegen befragen zwecks mehr Realismus
Nicht immer kann man bei Planungsaufgaben auf geeignete Personen aus dem Umfeld zugreifen. Wenn diese Möglichkeit allerdings besteht, bringt sie gleich mehrere Vorteile mit sich. Generell bewerten Menschen die Planung von anderen deutlich objektiver als die eigenen Projekte.Zusätzlich kennen Personen aus dem engeren Umfeld oft die persönlichen Schwächen des Planers. Vielleicht hat er sich schon öfter übernommen, was er selbst zwar immer wieder erfolgreich verdrängt, von seinem Umfeld aber nicht vergessen wurde.
Fazit: Planung braucht eine Portion gesunden Pessimismus
Bei allem begründeten Optimismus, was die Umsetzung eines Projekts angeht, sollten potenzielle Probleme nicht einfach ausgeblendet werden. Tatsächlich gibt es die „gesunde Portion Pessimismus“. Wer bereits vorab das Unvorhersehbare als Größe einplant, wird entsprechend einen Plan B (notfalls auch die Pläne C und D) in der Hinterhand haben. Vor allem werden zeitliche und finanzielle Ressourcen als Puffer eingeplant, um trotz nicht vorhergesehener negativer Entwicklungen das Projekt erfolgreich abschließen zu können.